TTIP-Leaks: Abgerechnet wird am Ende
Dass die Papiere zu den TTIP-Verhandlungen durchgesickert sind, ist gut. So gerät die Politik unter Rechtfertigungsdruck. Ein Kommentar.
Wenn zwei Parteien einen Vertrag schließen, versucht jeder, das Beste für sich zu erreichen. Der Mieter möchte die neue Wohnung möglichst billig mieten, der Autoverkäufer will für den Wagen so viel herausschlagen, wie es geht. Was im Alltag gilt, ist auch bei Verhandlungen unter Staaten nicht anders. Und so muss man sich nicht wundern, dass die USA und die Europäische Union unterschiedliche Auffassungen davon haben, was im geplanten Freihandelsabkommen TTIP stehen soll.
Insofern bergen die Papiere, die jetzt von Greenpeace veröffentlicht worden sind, keine großen Überraschungen. Beide Seiten versuchen, ihren Unternehmen die Geschäfte zu erleichtern und ihnen Startvorteile zu verschaffen. Die Gespräche laufen noch. Wer am Ende die Nase vorn hat, ist eine Frage des Verhandlungsgeschicks und der Verhandlungsmacht. Abgerechnet wird zum Schluss. Es hat daher einiges für sich, solche Gespräche zunächst vertraulich zu führen.
Die Politik darf die Bürger nicht belügen
Man muss ausloten, wie weit sich das Gegenüber zu bewegen bereit ist, welche Deals möglich sind. Und man muss sich auch immer wieder im eigenen Lager rückversichern, wie weit das Mandat reicht. Je früher Details aus den Gesprächen bekannt werden, je mehr Menschen mitreden, desto schwieriger werden die Verhandlungen. Doch Vertrauensschutz darf nicht zu Geheimniskrämerei werden, die Politik darf die Bürger nicht belügen.
Wie sich jetzt zeigt, sind die USA und die Europäische Union in grundlegenden Fragen noch immer weit auseinander. Beim Investorenschutz, dem Verbraucher- und Gesundheitsschutz trennen beide Parteien Welten. Vom vermeintlich guten Willen, dem gerade beschworenen Geist von Hannover, findet sich in den Papieren nichts. Man konnte die EU-Handelskommissarin Cecila Malmström in den vergangenen Monaten so verstehen, als ob sich die Amerikaner auf die Europäer zubewegt hätten, doch offensichtlich war das Wunschdenken.
Ein gutes Abkommen kann das Vertrauen in die Politik stärken
Insofern ist es gut, dass die Verhandlungsdokumente nun durchgesickert sind. Die erzwungene Öffentlichkeit setzt die Politik unter Rechtfertigungsdruck. Wo stehen wir wirklich bei TTIP? Welche Zugeständnisse ist man bereit zu machen, was kommt auf die Menschen zu? Für die Politik und die Demokratie ist das eine Chance. TTIP hat die Menschen in einem unerwarteten Maße politisiert. Zehntausende gehen auf die Straße, weil sie mitbestimmen wollen, weil sie ernst genommen werden wollen.
Während früher der Freihandel ein Thema für Elitenzirkel und Wirtschaftsclubs war, füllen Lokalpolitiker heute Säle mit Diskussionen darüber. Wenn am Ende ein gutes Abkommen heraus kommt, stärkt das das Vertrauen in die Politik. Für die Verhandler der EU ist TTIP-Leaks eine Chance, ihre Gesprächsposition zu verbessern. Sie können den Druck auf die USA erhöhen und klar machen, wo die Grenzen des Verhandelbaren sind. Es ist wie im wirklichen Leben. Man verhandelt.
Und wenn mit dem Ergebnis am Ende beide leben können, unterschreibt man. Wenn nicht, lässt man es bleiben. Klar wäre es schade, wenn die TTIP-Verhandlungen scheitern würden. Man würde die Chance vertun, Regeln für eine moderne Handelsordnung aufzustellen. Doch wenn die Regeln so aussehen, dass einer über den Tisch gezogen wird, dann hat der schlecht verhandelt.