Koalition legt Gesetzentwurf vor: Abgeordneten soll bezahlte Lobbyarbeit verboten werden
Unter dem Eindruck der Maskenaffäre will die Koalition nun das Abgeordnetengesetz ändern. Künftig sollen strengere Regeln für Nebentätigkeiten gelten.
Abgeordnete des Bundestags dürfen künftig neben ihrem Mandat keine bezahlte Lobbytätigkeit mehr ausüben. Eine entsprechende Verschärfung des Abgeordnetengesetzes wollen Union und SPD in der kommenden Woche ins Parlament einbringen. „Unzulässig neben dem Mandat sind die entgeltliche Interessenvertretung für Dritte gegenüber dem Bundestag und der Bundesregierung oder entgeltliche Beratungstätigkeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Mandatsausübung stehen“, heißt es in dem Gesetzentwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt.
Mit der Verschärfung der Regeln für Abgeordnete reagiert die Koalition auf die jüngsten Skandale um Unionsabgeordnete, die sich als Berater im Geschäft mit medizinischen Masken bereichert hatten. Das Gesetz könnte im Mai beschlossen werden.
Eine Tätigkeit als Berater zählt bei Abgeordneten zu den beliebtesten Nebenjobs. Der ehemalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) beispielsweise schaffte es damit sogar in die Liste der Spitzenverdiener im Parlament. Für „Strategieberatung“ kassierte er 2019 von einem einzigen Mandanten mindestens 150.000 Euro, ein weiterer überweist monatlich zwischen 7000 und 15.000 Euro. Die Auftraggeber mussten bisher ebenso wenig angegeben werden wie die genaue Höhe der Nebeneinkünfte, die nur innerhalb bestimmter Spannen offengelegt werden.
Nebeneinkünfte müssen genau offengelegt werden
Beides soll sich künftig ändern. Die große Koalition will Abgeordnete verpflichten, den genauen Betrag ihrer Nebeneinkünfte öffentlich zu machen. Außerdem wird die Schwelle, ab der Einnahmen neben dem Mandat überhaupt meldepflichtig sind, von derzeit 10.000 Euro im Jahr auf 3000 Euro gesenkt. Einmalige Zahlungen sind bereits ab 1000 Euro meldepflichtig. Firmenbeteiligungen von Abgeordneten sollen ab einem Anteil von fünf Prozent (statt bisher ab 25 Prozent) veröffentlicht werden.
Zudem soll mehr Transparenz über die Auftraggeber hergestellt werden. Bisher müssen diejenigen Abgeordneten, die sich in ihrem Nebenjob auf eine Verschwiegenheitspflicht berufen können, keine weiteren Angaben zu ihren Geldgebern machen. Das gilt insbesondere für die große Zahl der Anwälte im Bundestag. Künftig müssen sie zumindest die Branche ihrer Mandanten nennen.
Union und SPD haben sich außerdem darauf verständigt, dass Mitglieder des Bundestages künftig kein Geld für Vorträge mehr annehmen dürfen, wenn die Auftritte „in Zusammenhang mit der Mandatsausübung“ stehen. Mehrere Parlamentarier, darunter der FDP-Chef Christian Lindner, der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi und der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz, haben in den vergangenen Jahren mit Vorträgen sehr gut nebenbei verdient.
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Außerdem will die große Koalition weitere Lücken in den bestehenden Regeln schließen: Meldepflichtig werden auch die Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen, das war bisher nicht der Fall. Und als Lehre aus der Affäre um den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor sollen Abgeordnete auch Aktienoptionen angeben, die sie im Rahmen einer Nebentätigkeit erhalten.
„Gläserner Abgeordnete“
„Die Skandale der Vergangenheit haben gezeigt, dass neue Verhaltensregeln für Abgeordnete dringend notwendig sind“, sagte der SPD-Politiker Matthias Bartke dem Tagesspiegel. „Bezogen auf wirtschaftliche Aktivitäten schaffen wir mit dem Gesetz einen weitgehend gläsernen Abgeordneten.“ Mit dem bereits verabschiedeten Lobbyregister und der nun anstehenden Reform der Verhaltensregeln würden parlamentarische Vorgänge künftig deutlich transparenter, sagte Bartke.
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„Wir haben gedacht, unsere Regeln wären ausreichend, und wurden schwer enttäuscht“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Patrick Schnieder (CDU). „Jetzt geben wir dem Bundestag strengste Verhaltensregeln für Abgeordnete und ziehen damit klare Konsequenzen aus den bitteren Erfahrungen, die wir im März machen mussten.“ Der Gesetzentwurf sei „die größte Reform, die es im Abgeordnetengesetz je gab“.
Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland, begrüßte die geplante Reform. „Der Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung.“ Allerdings sprach er sich dafür aus, den Umgang mit Interessenkonflikten klarer zu fassen und dabei auch unentgeltliche Nebentätigkeiten in den Blick zu nehmen.
Außerdem kritisierte er, dass auch nach der Reform geldwerte Zuwendungen „aus Anlass der Wahrnehmung interparlamentarischer und internationaler Beziehungen“ grundsätzlich zulässig bleiben. Bäumer verwies in diesem Zusammenhang auf die Teilnahme deutscher Abgeordneter an bezahlten Wahlbeobachtungsmissionen in Aserbaidschan. „Es ist nicht klar, dass solche Fälle künftig ausgeschlossen sind.“
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