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Nur vordergründig der Anlass für die Gesetzesreform: die Ereignisse in der Neujahrsnacht in Köln.
©  Markus Böhm/dpa

Schutz vor sexuellem Missbrauch: Abgeordnete wollen noch schärferes Gesetz gegen Sexualtäter

Die Änderungen von Justizminister Heiko Maas als Reaktion auf die Kölner Neujahrsnacht gehen nicht weit genug, meinen viele Parlamentarier - während die Polizei weiter nach Verdächtigen fahndet.

Justizminister Heiko Maas sagt gern, er sei kein Freund gesetzgeberischer Schnellschüsse. Er macht jedoch Ausnahmen, wenn es um die eigenen geht. Dazu gehört eine vorgezogene Verschärfung des Sexualstrafrechts, die zwar schon länger in Planung war, die Maas dann aber als Reaktion auf die Kölner Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht ausgab, zu denen die Polizei auch aktuell nach Verdächtigen fahndet (siehe Foto unten). Die Verschärfung ist auch nur die Anzahlung auf eine größere Reform, an der zurzeit noch gearbeitet wird. Am Donnerstag hat der Bundestag erstmals über den Entwurf beraten. Fazit: Ein Schritt in die richtige Richtung, aber er geht nicht weit genug.

Fraktionsübergreifend mahnen Abgeordnete, ein Nein des Opfers müsse genügen, um aus sexuellen Handlungen eine Straftat zu machen. „Der Grundsatz, dass alleine der Wille des Opfers maßgeblich ist, der verträgt keine Einschränkungen“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU). Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, sagte sogar, der Entwurf halte an „tradierten Denkmustern von weiblicher Verfügbarkeit“ fest.

Nach dem Willen der Bundesregierung soll ein neuer Paragraf 179 „Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung besonderer Umstände“ ins Gesetzbuch eingefügt werden. Sexuelle Handlungen an anderen Personen können danach mit Haft zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft werden, wenn der Täter bestimmte Situationen ausnutzt: Das Opfer muss entweder psychisch, physisch oder aufgrund eines Überraschungsmoments zur Gegenwehr unfähig sein oder im Fall seines Widerstands ein „empfindliches Übel“ befürchten.

Der Tatbestand soll das Schutzkonzept sexueller Selbstbestimmung ergänzen. Gestrichen wird dafür eine Teilvorschrift im Paragrafen 177, der sexuelle Nötigung und Vergewaltigung bestraft. Danach werden bisher sexuelle Handlungen „unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist“, als Verbrechen, also mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft bedroht.

Mit einem Foto aus einer Überwachungskamera sucht die Polizei in Köln nach Hinweisen auf einen weiteren, bislang unbekannten Sexualstraftäter aus der Neujahrsnacht.
Mit einem Foto aus einer Überwachungskamera sucht die Polizei in Köln nach Hinweisen auf einen weiteren, bislang unbekannten Sexualstraftäter aus der Neujahrsnacht.
© Polizei Köln/dpa

Diese Vorschrift, so ist das Justizministerium überzeugt, sei von den Gerichten zu eng ausgelegt worden. „Unser Strafrecht weist eklatante Schutzlücken auf“, sagte Maas im Bundestag. Nach dem alten Konzept müssten laut Entwurfsbegründung stets Merkmale einer Nötigung vorliegen, zudem seien die Richter aufgrund der hohen Strafdrohung zurückhaltend gewesen. Strafwürdige Fälle, die eigentlich erfasst werden sollten, seien dadurch straflos geblieben.

Doch den Kritikern sind die tatbestandlichen Voraussetzungen nach wie vor zu hoch. Sie fordern: „Nein heißt nein“. Unabhängig von äußeren Umständen wie Einschüchterung oder Überraschung sei es der innere Wille, der hier zählen müsse. Die Abgeordneten wollen offenbar nachschärfen – und befinden sich damit im Einklang mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der entschieden hat, dass ungewollte sexuelle Handlungen auch dann unter Strafe zu stellen sind, wenn das Opfer keinen Widerstand leistet.

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