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Rot-Rot-Grün: Passt das zusammen? Im Bundestag gibt es keine Mehrheit für diese Konstellation.
© dpa/Patrick Pleul

Nach dem Scheitern von Jamaika: Abgeordnete wittern Chance für rot-rot-grüne Ideen

"Einen weiteren Rechtsruck darf es nicht geben", meinen Politiker von SPD, Linkspartei und Grünen - und plädieren in einem Thesenpapier für eine rot-rot-grüne Zukunft.

Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten von SPD, Linken und Grünen sieht in den schwierigen Gesprächen und Diskussionen über eine Regierungsbildung oder mögliche Neuwahlen eine Chance, auch Gemeinsamkeiten zwischen den drei Parteien auszuloten. Unter der Überschrift "Sozial, ökologisch, friedlich! Es geht um Inhalte" erarbeiteten Politiker aus den drei Parteien ein Thesenpapier, in dem denkbare Schnittmengen auch zu traditionell konfliktträchtigen Themen wie der Außen-, der Europa- und der Asylpolitik benannt werden.

"Über Parteigrenzen und gedachte Mehrheitskonstellationen hinweg" sollten gemeinsame Akzente gesetzt werden, verlangen die Politiker, von denen sich die meisten schon seit Jahren für eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit auf Bundesebene einsetzen. Sie wollen dieses Projekt nun nicht aus dem Blick nehmen, obwohl es für eine rot-rot-grüne Koalition seit der Bundestagswahl keine rechnerische Mehrheit mehr gibt. "Unser Ziel bleibt eine gemeinsame Mehrheit für eine sozial-ökologische Politik", erklärt die Gruppe in dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Die "besondere Lage" nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen erfordert aus Sicht der Politiker aus den drei Parteien "auch besondere politische Antworten". Es gehe in der aktuellen öffentlichen Debatte "zu sehr um abstrakte Farbenspiele und zu wenig um die notwendigen fundamentalen inhaltlichen Weichenstellungen für Deutschland", heißt es in dem Aufruf.

Bis es wirklich Klarheit über eine Regierungsbildung oder möglicherweise Neuwahlen gebe, könnten noch Monate vergehen. "Bis dahin sollte der Bundestag nicht in Stillstand verharren. Alle Gewalten des Staates sind arbeitsfähig." Eine Krise sehe nur derjenige, der das ignoriere oder sie unbedingt wolle, "diese Leute finden sich vor allem auf der rechten Seite des Parlaments".

"Geschäftsführende Bundesregierung kontrollieren"

"Jetzt ist die Stunde des Parlaments", betonen die Abgeordneten weiter - Unterzeichner sind die SPD-Politiker Frank Schwabe und Sönke Rix, Stefan Liebich und Birke Bull von der Linkspartei sowie die Grünen-Abgeordneten Sven Kindler und Monika Lazar. Als Mitinitiatorin unterschrieben hat Angela Marquardt, Geschäftsführerin der Denkfabrik in der SPD-Bundestagsfraktion und Mitarbeiterin von Fraktionschefin Andrea Nahles. Die Gruppe verlangt, dass die Ausschüsse schon in der nächsten Sitzungswoche des Bundestages im Dezember eingesetzt werden und diese "richtig anfangen zu arbeiten". Die geschäftsführende Bundesregierung müsse kontrolliert werden, dies gebiete die "staatspolitische Verantwortung".

Die sechs Bundestagsabgeordneten aus den drei Parteien machen in dem Papier konkrete Vorschläge, wo eine Verständigung ansetzen könnte. Die Schere zwischen Arm und Reich müsse geschlossen werden, heißt es in der Positionierung zur Sozialpolitik. Zudem müssten prekäre Beschäftigungsverhältnisse zurückgedrängt und die Rechte von Arbeitnehmern gestärkt werden. Im Bereich Klimaschutz wünschen die Politiker sich einen verlässlichen Fahrplan für den Kohleausstieg, den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien sowie eine andere Verkehrs-, Landwirtschafts- und Wohnungsbaupolitik.

Für humane Asylpolitik

Mehr Bewegung aufeinander zu verlangen die Abgeordneten auch in der Außenpolitik. Für eine "gerechte Weltpolitik" fordern sie eine restriktive Rüstungsexportpolitik und mehr Hilfe für die Menschen in humanitären Krisen. Das Papier enthält ein klares Bekenntnis zu Europa, das "unsere Zukunft" sei: "Die Europäische Union muss für mehr Arbeitsplätze, mehr soziale Gerechtigkeit, gegen Steuerdumping und für eine abgestimmte humane Flüchtlingspolitik stehen." Eine Migrationspolitik, die gleichzeitig steuere, humanen Grundsätzen folge und Menschenrechte konsequent einhalte, sei möglich und wünschenswert. "Einen weiteren Rechtsruck in der Asyl- und Innenpolitik darf es nicht geben."

Die Beratungen in den Parteien über einen Ausweg nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen gestalten sich als kompliziert - noch ist unklar, ob es auf eine Wiederauflage der großen Koalition, eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen hinausläuft. Die SPD unter Martin Schulz ist von ihrem strikten Nein zu einer großen Koalition abgerückt. Die Grünen kamen am Samstag in Berlin zu einem Bundesparteitag zusammen - auch in ihren Reihen gibt es unterschiedliche Vorstellungen zur Frage, wie es nun weitergehen soll. In der Linkspartei ist der seit Monaten schwelende Machtkampf nach der Bundestagswahl offen ausgebrochen.

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