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San Francisco, 26. Juni 1945: Die feierliche Unterzeichnung der UN-Charta vor 70 Jahren.
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"Welt im Krieg": 70 Jahre UN - der Friede lässt auf sich warten

Vor 70 Jahren gründeten sich die Vereinten Nationen: Die UN sollten Frieden bringen – und konnten doch die Kriege nicht stoppen. Viele fordern nun eine grundlegende Reform.

Der zweite Generalsekretär der Vereinten Nationen gilt bis heute als einer der besten Repräsentanten der Weltorganisation. Gerühmt für seine Menschlichkeit, bestach der Schwede Dag Hammarskjöld ebenso als Realist. Einer seiner bekanntesten Aussprüche über die UN lautete: „Die Vereinten Nationen wurden nicht gegründet, um uns in den Himmel zu bringen, sondern um uns vor der Hölle zu retten.“ Siebzig Jahre nach ihrer Gründung sind die Vereinten Nationen jedoch nicht in der Lage, Millionen Menschen vor der Hölle zu retten – vor der Hölle des Kriegs.

Die Organisation spielt in ihrem Jubiläumsjahr 2015 bei der Verfolgung ihres wichtigsten Ziels, der Schaffung von Frieden, bei Weitem nicht die Rolle, die viele Menschen bei ihrer Gründung erhoffen. Vor 70 Jahren, am 26. Juni 1945, unterzeichneten Vertreter von 50 Staaten in San Francisco die Charta der Vereinten Nationen. Am 24. Oktober 1945 trat das Regelwerk dann in Kraft. Angesichts des Grauens des Zweiten Weltkriegs sollte die neue Organisation mit ihrem Herzstück, dem Sicherheitsrat, eine Ära des gewaltlosen Miteinanders der Staaten einleiten. „Künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“ wurde von den Gründern als Leitmotiv ausgegeben.

Sieben Jahrzehnte später erschüttern etliche Konflikte die Welt: Vom Südsudan über Syrien und den Irak bis in die Ukraine, Jemen und Afghanistan fließt Blut. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, spricht resigniert von einer „Welt im Krieg“. Und diese Welt im Krieg bringt Tod und unvorstellbares Leid über die Menschen. Terrorgruppen wie der „Islamische Staat“ errichten Gewaltherrschaften, in den Konfliktländern hungern Millionen Menschen, die Waffengänge zerstören Infrastruktur, Wirtschaft und die Hoffnung.

60 Millionen Menschen auf der Flucht

Insgesamt waren Ende 2014 fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt – weit mehr als 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, dem Gründungsjahr der Vereinten Nationen. „Die globale Flüchtlingskrise ist eine der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, aber die internationale Gemeinschaft hat bislang kläglich versagt“, erzürnt sich der Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Salil Shetty.

Wenn Experten wie Shetty von der „internationalen Gemeinschaft“ reden, meinen sie in erster Linie die Vereinten Nationen. Die „Vereinten Nationen“ treten jedoch nicht als einheitlicher Akteur auf, die Vereinten Nationen stehen vielmehr für viele Institutionen wie die Vollversammlung oder das Welternährungsprogramm. Geht es um Krieg und Frieden, dann sollte laut Charta der Sicherheitsrat in Aktion treten.

In den vergangenen Jahren aber ließen die 15 Mitglieder des mächtigsten UN- Gremiums viele Konflikte treiben. Zudem schaffte es der Rat nicht, den Ausbruch neuer Waffengänge zu verhindern. Hauptursache der Passivität: das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Sie können mit ihrem Einspruch jeden Beschluss des Rats vereiteln. Sobald die Interessen der Vetomächte aufeinanderprallen, erlahmt der Sicherheitsrat: Der Preis für den Veto-Mechanismus steigt jedes Jahr weiter an. In Syrien ist er besonders hoch. Seit Ausbruch des Aufstands gegen den Gewaltherrscher Baschar al Assad 2011 starben mehr als 220 000 Männer, Frauen und Kinder. Fast die Hälfte der Bevölkerung wurde vertrieben, weite Teile des Landes sind verwüstet. Konfrontiert mit der syrischen Tragödie und der Unfähigkeit des Sicherheitsrats, sie zu beenden, muss UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eingestehen: Die UN sei oft „ein Ort der Frustration und der Unentschlossenheit. Manchmal kann sie auch ein Ort des wahnsinnig machenden Nichtstuns sein – wie Syrien am eindrucksvollsten demonstriert“.

Das umstrittene Vetorecht hat seinen Zweck

Allerdings dürfe das Vetorecht nicht pauschal verurteilt werden, warnen Fachleute wie der Frankfurter Politikwissenschaftler Harald Müller. Das Vetorecht solle verhindern, „dass eine Mehrheit des Sicherheitsrates gegen die vitalen Interessen einer Großmacht den Gewalteinsatz beschließt“, analysiert Müller. „Es folgt der Intention, dem großen Krieg vorzubeugen.“ In der Tat hat das Vetorecht geholfen, dass eine direkte militärische Kollision der Nuklearmächte USA und Sowjetunion (Russland) ausblieb. Die Menschheit blieb von einem atomaren Albtraum verschont.

Angesichts der Schwächen des Rats aber pochen Fachleute seit Langem auf eine grundlegende Reform. So präsentierte eine internationale Kommission unter Ko-Vorsitz der früheren US-Außenministerin Madeleine Albright Vorschläge für ein neues Abstimmungsverfahren, womit das Veto teilweise entschärft werden soll. Zudem verlangt die Kommission eine Erweiterung des Rats um neue Mitglieder. Dadurch, so verspricht Albright, würde nicht nur die Effektivität, sondern auch die „Legitimität“ des Sicherheitsrats gestärkt.

Nur: Bislang scheiterten alle Reforminitiativen für eine Beschneidung des Vetorechts der fünf ständigen Mitglieder – am Widerstand eben dieser fünf ständigen Mitglieder. Die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich verfügen über die Macht, eine notwendige Änderung der Charta der Vereinten Nationen zu verhindern. Diese Macht nahmen sie sich vor 70 Jahren – und werden sie auf absehbare Zeit nicht aufgeben. Die Vereinten Nationen bleiben somit „ein unvollendetes Werk“. So lautet das ernüchternde Fazit des achten Generalsekretärs Ban Ki Moon.

Jan Dirk Herbermann

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