Personalmangel in Krankenhäusern: 35,7 Millionen Überstunden
In deutschen Krankenhäusern fehlen der Gewerkschaft Verdi zufolge 80.000 Pflegekräfte. Ein Berliner Bündnis sammelt Unterschriften gegen den Notstand.
In deutschen Krankenhäusern fehlen 80.000 Pflegekräfte. Dies geht zumindest aus einer Einschätzung der Gewerkschaft Verdi hervor. Die Unterbesetzung auf den Stationen gehe sowohl zulasten der Patienten als auch des Personals, sagte Sylvia Bühler vom Verdi-Vorstand am Montag in Düsseldorf. Dort treffen sich an diesem Mittwoch die Gesundheitsminister der Länder. Die Gewerkschaft hat eigenen Angaben zufolge von März bis Mai in 166 der fast 2000 Krankenhäuser bundesweit 13.000 Beschäftigte nach ihren Schichtplänen befragt. Insgesamt habe das Klinikpersonal bundesweit 35,7 Millionen Überstunden angesammelt, sagte Bühler. Daraus wurde ein Stellendefizit errechnet.
Per Volksentscheid zu mehr Pflegekräften?
Verdi zufolge müsste allein die Zahl der 370.000 Pflegekräfte um 22 Prozent erhöht werden, um alle Schichten ausreichend zu besetzen. Verdi hatte eine solche Erhebung schon im Jahr 2013 durchgeführt: Damals fehlten 70.000 Fachleute. Schon an diesem Dienstag wollen die Initiatoren des „Berliner Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus“ bei Berlins Innensenators Andreas Geisel (SPD) eine Unterschriftenliste abgeben. Dies ist der erste Schritt zu einem geplanten Volksentscheid, in dessen Folge durch ein Gesetz mehr Personal für Klinikstationen festgeschrieben werden soll.
Die Initiative hatte im Februar dieses Jahres begonnen, dafür Unterschriften zu sammeln. In dem mehrstufigen Verfahren müssen in sechs Monaten 20.000 gültige Signaturen eingeholt werden. Man werde Senator Geisel allerdings schon 47.500 Unterschriften präsentieren können, teilte das Bündnis mit. Für den zweiten Schritt sind fast 180.000 gültige Unterschriften vorgeschrieben. Im Fall des Gelingens käme es schließlich zu einer Abstimmung, bei der mehr als 600.000 Wahlberechtigte in Berlin mit „Ja“ votieren müssten.
Pflegekräfte protestieren vor Gesundheitsministerkonferenz
Die Initiatoren des Volksbegehrens wollen das Land per Gesetz verpflichten, einen Personalschlüssel einzuführen, wie es ihn bislang nur an der Charité gibt. Dort schreibt nämlich der Tarifvertrag etwa für die Intensivpflege vor: Eine Schwester versorgt zwei Patienten pro Schicht, statt wie sonst üblich drei, vier oder fünf Kranke. Wendet man diese Rechnung auf alle Berliner Krankenhäuser an, bräuchten die Kliniken insgesamt mindestens 3000 neue Pflegekräfte. Dies deckte sich grob mit den von Verdi am Dienstag vorgestellten Zahlen, wenn man sie auf die Hauptstadt herunterrechnet.
Auf der Bundesebene arbeiten derzeit die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen an einem Entwurf für eine Personalbemessung. Die Bundesregierung hatte die beiden Branchenverbände mit dieser Ausarbeitung beauftragt. In Düsseldorf werden Pflegekräfte an diesem Mittwoch vor der Gesundheitsministerkonferenz gegen die Personalnot demonstrieren.