zum Hauptinhalt
Ein Skandal um rechtsextreme Chatgruppen erschüttert die Polizei in NRW. (Symbolbild)
© Imago/Deutzmann

Neonazis in Uniform: 29 rechtsextreme Polizisten in NRW enttarnt – das sind keine Einzelfälle mehr

Braune Umtriebe in den Sicherheitsbehörden sind ein strukturelles Problem. Die Politik muss das endlich anerkennen. Ein Kommentar.

Die rechtsextreme Propaganda, die in mehreren Chat-Gruppen der nordrhein-westfälischen Polizei stattfand, sei „übelste und widerwärtigste Hetze": Da muss man Herbert Reul, dem Innenminister des Bundeslandes, wohl Recht geben. Das Ganze ist „eine Schande“. Aber leider keine Überraschung, und schon gar kein Einzelfall.

Erst kürzlich ergaben Tagesspiegel-Recherchen, dass es in den vergangenen fünf Jahren mindestens 170 Vorfälle mit rassistischen bis rechtsextremen Tendenzen in den Reihen der Polizei gegeben hat.

Die Behörden in Berlin legten vor ein paar Tagen nach: Allein in der Hauptstadt hat es seit 2017 mehr als 80 Verfahren gegen Polizeibeamte gegeben. Auch dort haben sie sich über Chatgruppen vernetzt, um über Juden und Ausländer herzuziehen.

Leider war das nur die Spitze des Eisbergs. Denn das Problem liegt tiefer. In Strukturen, die so angelegt sind, dass sich Polizisten gegenseitig decken. Dass Vorgesetzte nicht genau hinschauen, weil sie möglicherweise ähnlich ticken.

[Wenn Sie die wichtigsten Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Das weiß man nicht erst seitdem bekannt ist, dass Polizisten womöglich auch in die Affäre um die Drohmails des rechtsextremen Absenders „NSU 2.0“ verwickelt sind.

Aus keinem einzigen Bundesland haben die Behörden linksextreme Tendenzen übermittelt, Vorfälle mit islamistischem Hintergrund sind ebenso rar. Die Gesinnung, die immer wieder zu polizeiinternen Ermittlungen führt, richtet sich klar gegen Menschen mit anderer Hautfarbe, anderer Herkunft.

Ja, auch wenn die Täter in der Minderheit sind: Es ist eine Schande. Und es ist nicht damit getan, Netzwerke zu zerschlagen.

Keine systematische Erfassung

Wie ist es möglich, dass ein Polizist, bei dem Zollbeamte neben Nazi-Devotionalien fast 1000 Waffen und Waffenteile sichergestellt hatten, heute noch im Dienst ist? Realität bei der Polizei in Hamburg.

Der Fall zeigt exemplarisch: Bei weitem nicht alle auffälligen Beamten müssen ihren Posten räumen. Die Vorfälle werden noch nicht einmal überall systematisch erfasst. Das „Lagebild Rechtsextremer im Öffentlichen Dienst“, das Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eigentlich schon Anfang des Jahres erstellen lassen wollte, lässt immer noch auf sich warten.

Eigentlich sollte längst bekannt sein, wie viele Rechtsextremisten in Deutschlands Behörden, Dienststellen, Revieren und Kasernen arbeiten. Ist es aber nicht. Auch eine Studie zum Racial Profiling hält Seehofer weiterhin für überflüssig.

Ja, auch der intransparente Umgang mit Rechtsextremismus in staatlichen Institutionen ist eine Schande. Dabei mangelt es nicht an Instrumenten. Einige Bundesländer rüsten nach, sehen dringenden Handlungsbedarf. Führen eine Regelprüfung für angehende Polizisten auf Verfassungstreue ein – die es immer noch nicht flächendeckend gibt.

Und natürlich ist es sinnvoll, dass jetzt bundesweit auch mehr Polizisten mit Migrationshintergrund eingestellt werden. Aber all das kommt zu spät, Viel zu halbherzig waren die bisherigen Versuche, die Strukturen aufzubrechen. Der Drohmail-Schreiber mit der Signatur „NSU 2.0“ ist auch nach mehr als zwei Jahren nicht gefasst.

Fatima Abbas

Zur Startseite