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Die 16 Jahre alte Safia S. wird am Donnerstag zur Urteilsverkündung gefahren.
© AFP

IS-Messerattacke in Hannover: 16-Jährige muss sechs Jahre in Haft

Die 16 Jahre alte Safia S. muss unter anderem wegen versuchten Mordes für sechs Jahre in Haft. Die IS-Sympathisantin hatte in Hannover einen Bundespolizisten mit einem Messer angegriffen.

Auf den Tag genau elf Monate nach dem Messerangriff auf eine Bundespolizisten in Hannover hat das Oberlandesgericht Celle die junge Täterin zu sechs Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der 4. Strafsenat befand die 16-jährige Safia S. des versuchten Mordes, der gefährlichen Körperverletzung und der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung für schuldig. Der Senat habe es als erwiesen angesehen, dass die zur Tatzeit 15 Jahre alte Safia S. am 26. Februar 2016 bei einer Personenkontrolle im Hauptbahnhof Hannover versuchte, einen Beamten der Bundespolizei zu töten, teilte das OLG Celle am Donnerstag mit. Mit der Tat habe Safia S. die Terrormiliz „Islamischer Staat“ unterstützen wollen. Dies sei unter anderem durch Chats auf dem Mobiltelefon der Angeklagten belegt.

Gegen den Mitangeklagten Hasan K. (20) verhängte der Senat eine Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren. Die Richter halten ihn der „Nichtanzeige einer geplanten Straftat“ für schuldig. Hasan K. habe gewusst, dass Safia S. den Messerangriff plante und den IS unterstützen wollte, sagte das OLG. Die Urteilsverkündung fand wie fast der gesamte Prozess gegen die junge Deutschmarokkanerin und den Deutschsyrer unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Die Richter entsprachen mit ihrem Urteil weitgehend dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft. Sie hatte sechs Jahre Haft für Safia S. und drei Jahre für Hasan K. gefordert. Die Verteidiger von Safia S. hatten beantragt, ihre Mandatin zu einer milden Strafe wegen gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen. Safia S. habe sich in einem Brief an den Polizisten entschuldigt, sagte ihr Verteidiger bei Beginn des Prozesses. Die Anwälte von Hasan K. hatten einen Freispruch gefordert.

Die Messerattacke war auf traurige Weise eine Premiere für die Bundesrepublik. Erstmals fand in Deutschland ein Anschlag mit IS-Beteiligung statt. Und noch nie hatte eine Salafistin einen Terrorangriff in Deutschland verübt. Und Safia S. ist die jüngste Islamistin, die bislang vor Gericht kam. Der Strafsenat schloss wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten die Öffentlichkeit gleich zu Beginn des Prozesses im Oktober 2016 aus. Nach Informationen des Tagesspiegels äußerte sich Safia S. in der Hauptverhandlung nur zu ihrer Person. Hasan K. hingegen sagte zum Tatvorwurf aus. Der Angeklagte gab an, er habe nicht ernst genommen, was Safia S. ihm über die geplante Straftat erzählt hatte.

Safia S. hat eine strenggläubige Mutter

Die Radikalisierung des Mädchens begann offenbar schon früh. Safia S. hat eine strenggläubige Mutter, die mit ihren Kindern in die Moschee des salafistischen Vereins „Deutschsprachiger Islamkreis“ ging. Schon im Alter von sieben Jahren war Safia im Internet in einem Video neben dem bekannten Salafistenprediger Pierre Vogel zu sehen. Das Mädchen trat auch danach gemeinsam mit dem Szenestar auf, jedesmal mit ausladendem Kopftuch. „Cooles Outfit hast Du heute an“, lobte Vogel. Safia S. fühlte sich geschmeichelt. Und sie wurde zunehmend fanatisch. Nach dem verheerenden Anschlag vom 13. November 2015 in Paris schrieb sie in einem Chat, dies sei ihr „Lieblingstag“. Die Terroristen, die 130 Menschen töteten, glorifizierte Safia S. als „Löwen“.

Im Januar flog die Schülerin nach Istanbul und nahm dort Kontakt zu Mitgliedern des IS auf. Safia S. wollte auch weiter nach Syrien reisen, doch ihre Mutter kam nach Istanbul geflogen und brachte die Tochter zurück nach Deutschland. Doch die Verbindung zum IS hatte dennoch fatale Konsequenzen. Safia S. sah sich verpflichtet, in Deutschland eine „Märtyrertat“ zu verüben. Laut Bundesanwaltschaft hatte der IS das Mädchen beauftragt. Am 25. Februar 2016, dem Tag vor dem Angriff auf den Bundespolizisten, soll Safia S. der Terrormiliz ein selbst produziertes Video geschickt haben.

Die junge Deutschmarokkanerin ist nicht die einzige Minderjährige, die im vergangenen Jahr die Bundesrepublik mit Terror schockte. Am 16. April zündeten zwei 16-jährige Salafisten einen Sprengsatz am Eingang eines Sikh-Tempels in Essen. Bei der Explosion wurden drei Menschen verletzt. Bei den Ermittlungen fand die Polizei heraus, dass die Täter nicht alleine gehandelt hatten, sondern einer militanten islamistischen Jugendgang angehörten.

Im Dezember wurde zudem ein Fall bekannt, in der Täter sogar so jung war, dass er nicht strafrechtlich belangt werden kann. In Ludwigshafen hatte am 26. November und am 5. Dezember ein Zwölfjähriger versucht, eine selbst gebastelte Nagelbombe zu zünden. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft gibt es Hinweise, dass der IS den Jungen über das Internet angeworben hat. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), war entsetzt. Der Fall zeige „auf erschreckende Weise, wie der IS versucht, schon sehr junge Menschen zu rekrutieren“.

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