Krieg in Syrien: 15 Kinder sterben bei Luftangriff auf eine Schule in Ost-Ghouta
Mehr als 45.000 Menschen sind in den vergangenen Tagen aus Ost-Ghouta geflohen, ihre Lage ist nahezu hoffnungslos. Und die Bombardierungen gehen weiter.
In Syrien spitzt sich die humanitäre Lage für Hunderttausende Zivilisten laut den Vereinten Nationen dramatisch zu. Die heftigen Kämpfe in den Gebieten Ost-Ghuta und Afrin hätten chaotische Massenfluchten erzwungen, warnten Hilfsorganisationen der UN am Dienstag in Genf. Bei mehreren Angriffen in Syrien sind am Dienstag Dutzende Menschen getötet worden. Mindestens 35 Zivilisten kamen bei einem schweren Raketenangriff auf einen Markt in Damaskus ums Leben, sagte der Direktor eines örtlichen Krankenhauses. 40 Menschen seien zudem verletzt worden. Es handelt sich um eine der schwersten Attacken auf Damaskus, das von den Kräften von Präsident Baschar al-Assad kontrolliert wird. Die Hauptstadt gilt eigentlich als relativ gut gesichert.
Bei einem Luftangriff auf eine Schule im syrischen Rebellengebiet Ost-Ghouta durch mutmaßlich russische Jets seien 15 Kinder und zwei Frauen getötet worden, etwa 52 weitere Menschen hätten Verletzungen erlitten, meldete die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Der Sprecher des Flüchtlingshilfswerk UNHCR, Andrej Mahecic, gab an, dass in den vergangenen Tagen mehr als 45.000 Kinder, Frauen und Männer aus Ost-Ghuta vor dem Bombardement der Assad-Truppen geflohen seien. Die hungrigen, durstigen und verzweifelten Menschen hätten in Behelfslagern des Syrisch-Arabischen Roten Halbmondes Zuflucht gefunden. Die Lager seien in einem miserablen Zustand und in Gebieten errichtet worden, die das Regime von Machthaber Baschar al-Assad kontrolliert.
Gleichzeitig harrten Hunderttausende Menschen in Ost-Ghuta vor den Toren von Damaskus aus, sie warteten auf Hilfe von außen. Insgesamt seien seit dem 18. Februar in Ost-Ghuta über 1.400 Zivilisten getötet und mehr als 5.300 verletzt worden, darunter Hunderte Kinder und Frauen, hielt die Syrische Beobachtungsstelle fest. Die Angaben der Beobachtungsstelle können nicht überprüft werden, gelten aber als zuverlässig. Seit Wochen beschießen syrische Streitkräfte und verbündete Milizen mit russischer Unterstützung Ost-Ghuta.
Frauen bringen Kinder am Straßenrand zur Welt
Im nordwestlichen Gebiet Afrin sind in den vergangenen Tagen nach Angaben des UNHCR-Sprechers mehr als 104.000 Menschen vor den Kämpfen zwischen der türkischen Armee und kurdischen Milizen geflohen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Ra'ad al-Hussein, sagte, dass in der Stadt Afrin etliche Zivilisten der Gewalt zum Opfer gefallen seien. Luftschläge, von Land abgefeuerte Geschosse und Minen hätten die Menschen verstümmelt oder getötet. Türkische Truppen haben die Stadt inzwischen eingenommen.
Laut dem Kinderhilfswerk Unicef harren mehr als 100.000 Menschen noch in der Region Afrin aus. Etwa die Hälfte davon seien Kinder. Auch nach Einschätzung des derzeit in Nordsyrien tätigen Arztes Michael Wilk wird die humanitäre Lage in Afrin immer dramatischer. „Frauen bringen ihre Kinder am Straßenrand zur Welt. Man kann sich die Szenen kaum vorstellen“, sagte Wilk im Interview mit dem Deutschlandfunk. Geflohene Menschen hielten sich unter freiem Himmel auf.
"Das Nichtstun der deutschen Regierung ist verantwortungslos"
Wilk kritisierte die Bundesregierung: Die deutschen Waffenexporte richteten immenses Unheil an. „Ich schäme mich dafür und ich halte das Tun und vor allem das Nichtstun für völlig verantwortungslos, was die deutsche Regierung anbelangt.“
Der Weltsicherheitsrat hatte sich Ende Februar auf eine 30-tägige Waffenrufe für ganz Syrien geeinigt, die jedoch nicht eingehalten wird. Seit sieben Jahren herrscht in dem Land ein brutaler Krieg, bei dem mehr als 400.000 Menschen getötet und zwölf Millionen Syrer in die Flucht getrieben wurden.
Truppen von Machthaber Assad, oppositionelle Rebellen und Terrorgruppen kämpfen gegeneinander. Dabei wird Assad von Russland, dem Iran und der libanesischen Hisbollah-Miliz unterstützt. Kurden werden wiederum an der syrisch-türkischen Grenze im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ von den USA unterstützt.
Syriens Präsident Baschar al-Assad hatte am Sonntag die syrischen Regierungstruppen in Ost-Ghouta besucht. Auf der Facebook-Seite des Präsidenten veröffentlichte Fotos zeigten den Machthaber, wie er vor einem Panzer stehend mit Soldaten spricht. Darunter hieß es: „An der Front in Ost-Ghouta ... Präsident al-Assad mit den Helden der Arabischen Syrischen Armee“. „Glückwünsche uns Syrern, Glückwünsche Euch, Glückwünsche allen Patrioten, die zu dieser Nation stehen“, sagte er in einem auf Twitter veröffentlichten Video. Zu welcher Zeit und wo genau der Besuch stattfand, wurde nicht genannt.
IS-Angriff auf Kadam südlich von Damaskus
Unterdessen brachte die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bei einem nächtlichen Überraschungsangriff die Ortschaft Kadam südlich von Damaskus in ihre Gewalt. Dabei seien 36 Soldaten und regierungstreue Kämpfer getötet worden, erklärte die Beobachtungsstelle. Dutzende weitere Kämpfer würden noch vermisst, seien verwundet oder gefangen genommen worden. Kadam liegt südlich von Damaskus. Schon seit Jahren sind dort verschiedene islamistische Rebellengruppen sowie die IS-Miliz und ihre Rivalen von dem früheren Al-Kaida-Ableger Hajat Tahrir al-Scham (HTS) präsent. Vergangene Woche verließen hunderte HTS-Kämpfer mit ihren Angehörigen im Zuge einer Vereinbarung mit der Regierung das Gebiet in Richtung der Provinz Idlib.
Verbaler Schlagabtausch zwischen USA und Türkei
Die US-Regierung äußerte sich unterdessen "ernsthaft besorgt" über das türkische Vorgehen in der nordsyrischen Region Afrin und kritisierte die Plünderungen in der gleichnamigen Stadt durch protürkische Rebellen nach ihrer Einnahme am Sonntag. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wies die Kritik zurück und warf den USA "Täuschung" vor. "Auf der einen Seite nennt ihr die Türkei 'unseren strategischen Partner', doch dann kooperiert ihr mit einer Terrororganisation? Die Lage ist klar", sagte Erdogan am Dienstag in Ankara und warf den USA vor, den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) für den Kampf gegen die IS-Miliz 5000 Lastwagenladungen mit Waffen geliefert zu haben.
Die Türkei betrachtet die YPG wegen ihrer engen Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Terrororganisation und will aus Afrin und anderen Grenzgebieten vertreiben. Die USA schätzen die Gruppe dagegen als schlagkräftigen Verbündeten gegen die IS-Miliz und unterstützen sie trotz der Proteste ihres Nato-Partners weiterhin mit Waffen. (epd/dpa)