Boris Palmer zum kostenlosen Nahverkehr: "15 Euro pro Kopf und Monat reichen aus“
Die Bundesregierung denkt über kostenlosen Nahverkehr nach. Tübingens Bürgermeister Boris Palmer von den Grünen wäre dafür.
In Tübingen fahren seit dem vergangenen Wochenende die Stadtbusse samstags kostenlos. Herr Palmer, kann so ein Angebot ausgedehnt werden und ein Beitrag sein, die Luft sauberer zu machen?
Nicht nur das. Kostenfreier Nahverkehr ist die einfachste und billigste Lösung für Staus, Parkplatznot, schlechte Luft und Klimaschutz im Verkehr. Und sie erspart Ärger mit der EU-Kommission. Machen!
Wie viele Menschen lassen sich so denn ermuntern, ihr Auto stehen zu lassen?
Wir haben in Tübingen mit Modellrechnungen ermittelt, dass sofort ein Drittel mehr Menschen in die Busse einsteigen würden. Genau wissen wir es aber nicht, weil es in Deutschland nie ausprobiert wurde. Wenn ich aber bedenke, wie groß die Proteste wegen jeder Preiserhöhung sind, dann glaube ich schon, dass der Effekt spürbar wäre. Außerdem würden wir den Nahverkehr sofort verbessern, dann würden noch mehr Leute einsteigen.
Soll der Bund die Kosten komplett tragen?
Das muss er gar nicht. Es würde schon reichen, wenn er den Kommunen erlauben würde, eine Abgabe zur Finanzierung des Nahverkehrs einzuführen. In Tübingen würden 15 Euro pro Kopf und Monat ausreichen und wir hätten dafür eine Mehrheit im Gemeinderat. Wir dürfen aber nicht, weil die gesetzliche Grundlage fehlt. Ein Modellprojekt müsste der Bund bezuschussen. Ich habe vor einem Jahr angeboten, dass Tübingen die Fahrgeldausfälle von neun Millionen Euro übernimmt, wenn der Bund die Mehrkosten der Zusatzangebote von sechs Millionen trägt. Leider gab es darauf keine Reaktion. Vielleicht ja jetzt?
Ist es nicht viel wichtiger, den Nahverkehr erst mal auszubauen?
Das eine tun und das andere nicht lassen. Mit kostenfreiem Nahverkehr werden die Angebote besser genutzt, eine größere Nachfrage führt auch zu mehr Ausbau. Wenn man akzeptiert, dass Umfinanzierung keine Kosten hat, dann steht nicht mehr oder weniger Geld für den Ausbau zur Verfügung, wenn man auf die Erhebung von Fahrpreisen verzichtet.
Ist es ungerecht, wenn Autofahrer den Nahverkehr zahlen, ohne ihn zu nutzen?
Wenn es ungerecht wäre, öffentliche Leistungen für andere zu finanzieren, dann dürfte es wegen der Kinderlosen keine kostenfreien Schulen geben, wegen der Handwerker keine kostenfreien Universitäten oder wegen der Radfahrer keine kostenfreien Autobahnen. Wie ein Angebot finanziert wird, hängt von politischen Entscheidungen und Zielen ab. Wir wollen, dass der Geldbeutel nicht über die Bildung entscheidet, deshalb zahlen nicht die Eltern, sondern alle. Wenn wir wollen, dass viel mehr Menschen Bus und Bahn nutzen, kann der Zutritt kostenfrei sein.
Boris Palmer (45) ist seit Januar 2007 Oberbürgermeister von Tübingen. Vorher saß er ab 2001 für die Grünen im Landtag Baden-Württembergs.
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