Israels Botschafter Jeremy Issacharoff: "120.000 Raketen sind auf den jüdischen Staat gerichtet"
Für Israel bleibt der Iran ein Unruhestifter. Die Politik Teherans sei "eine Gefahr für die Stabilität in der Region", sagt Israels Botschafter Jeremy Issacharoff.
Israel traut dem Iran nicht über den Weg. ganz im Gegenteil. So werde im Libanon die schiitische Miliz Hisbollah massiv aufgerüstet. "120.000 Raketen sind dort auf den jüdischen Staat gerichtet." Auch in Syrien werde die Islamische Republik immer mächtiger und einflussreicher. Das sei für Israel alarmierend. "Im Ernstfall werden wir auf jede Art der Bedrohung entsprechend reagieren", warnte Issacharoff.
Auch den Atomdeal mit dem Iran hält der Diplomat für höchst problematisch. "Wir sind überzeugt davon, dass sich Teheran nicht an das Abkommen hält. Der Iran hatte nie wirklich vor, sich von seinem militärischen Atomprogramm zu verabschieden." Die Sanktionen seien zu früh aufgehoben worden. "Das hat der Iran ausgenutzt."
Die Bedrohung durch Teheran werde in all ihren Aspekten auch ein Thema sein, wenn sich an diesem Montag Israels Premier Benjamin Netanjahu in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft. Deutschland und Europa wollen die im Sommer 2015 unterzeichnete Vereinbarung mit dem Iran unbedingt erhalten. US-Präsident Donald Trump dagegen hatte vor Kurzem die Übereinkunft aufgekündigt und neue Strafmaßnahmen verhängt. Das war von Israel begrüßt worden.
Issacharoff verteidigte außerdem den Einsatz von Schusswaffen am Gazastreifen. "Diese sogenannten Demonstranten wollten die international anerkannte Grenze stürmen. Viele waren bewaffnet und hatten angekündigt, israelische Bürger angreifen zu wollen. Die anderen werden von der Hamas als Geiseln für ihre extremistische Ideologie genommen."
Israels Botschafter sagte aber auch, sein Land wäre bereit mit den Islamisten zu verhandeln – sofern sie drei Bedingungen erfüllen: "Die Hamas muss Israel als Staat anerkennen, der Gewalt abschwören und sich der palästinensischen Autonomiebehörde unterstellen." Die Hamas beherrscht seit mehr als zehn Jahren den Gazastreifen. In den vergangenen Wochen sind bei Protesten an der Grenze zu Israel mehr als 100 Menschen von israelischen Soldaten erschossen worden.
Geschichtssicht der AfD "nicht akzeptabel"
Issacharoff kritisierte zudem die AfD. Die rechtspopulistische Partei "schaue in einer Art und Weise auf die deutsche Geschichte, die für uns nicht akzeptabel ist". Als Beispiel verwies Israels Botschafter auf Thüringens AfD-Chef Björn Höcke. Der hatte das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein "Denkmal der Schande" genannt. Es habe auch Sätze gegeben wie: Wir sind stolz auf die Leistungen der Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs. Das seien Äußerungen von hochrangigen Mitglieder der Partei, "die mich verstört haben". Trotz verschiedener Anfragen habe die Botschaft keinen Kontakt zur AfD.
Dass die Rechtspopulisten immer wieder Israel für seinen Kampf gegen islamistischen Terror loben, ändere daran nichts. "Wenn man sich pro-israelisch gibt, bedeutet das noch lange nicht, dass damit andere Verhaltensweisen toleriert werden können", sagte Issacharoff. Das betreffe vor allem alles, was mit Judenfeindlichkeit und dem Holocaust zusammenhänge, Der Botschafter betonte allerdings auch, dass "nicht alle Mitglieder der AfD so denken".
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Christian Böhme, Hannes Heine