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Entschlossen zu mehr Rüstungsausgaben: Kanzler Olaf Scholz am Sonntag bei seiner Regierungserklärung.
© Odd Andersen/AFP
Update

Erhöhung der Rüstungsausgaben: 100 Milliarden mehr für die Bundeswehr

Die Ampel-Koalition will den Wehretat massiv erhöhen - das Plus könnte mehr als 40 Prozent betragen. Finanziert werden soll es über neue Schulden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, dass die Bundesregierung die Mittel für die Bundeswehr deutlich aufstocken wird. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine sei klar, dass mehr Investitionen in die Verteidigung nötig seien, sagte Scholz am Sonntag in seiner Regierungserklärung in der Sondersitzung des Bundestages.

Präsident Wladimir Putin wolle auch mit Gewalt ein russisches Imperium in Europa erreichten. Die Frage sei nun, „welche Fähigkeiten besitzt Putins Russland und welche Fähigkeiten brauchen wir, um dieser Bedrohung zu begegnen“, sagte Scholz. Er sprach von einer „großen nationalen Kraftanstrengung“, um mehr „in die Sicherheit unseres Landes“ zu investieren.

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Scholz kündigte an, dass im Bundeshaushalt für 2022 ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro angelegt werden soll, aus dem dann auf Jahre hinaus der Mehrbedarf der Bundeswehr finanziert werden soll. Damit wird Deutschland nach den Worten von Scholz seine Wehrausgaben ab 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöhen und damit die so genannte Nato-Quote erfüllen.

In der bisherigen Planung des Bundeshaushalts 2022 sind Bundeswehr-Ausgaben von etwa 50 Milliarden Euro vorgesehen. Dies entspricht 1,5 Prozent des BIP.

Beim Einhalten des Zwei-Prozent-Ziels schon jetzt müssten also 67 Milliarden Euro im Verteidigungsetat stehen. Wenn dies ab 2024 gelten soll, müsste der Verteidigungsetat bis dahin um etwa 40 Prozent steigen. In der Finanzplanung für die kommenden Jahre ist bisher eine sinkende Nato-Quote vorgesehen.

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Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, die Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro und deren ausschließliche Verwendung für das Militär sollten im Grundgesetz abgesichert werden. Ähnlich sagte es auch Scholz. Lindner forderte die Union auf, bei einer eventuellen Grundgesetzänderung mitzumachen. Die Schuldenbremse gelte weiter, betonte Lindner. Es gehe um die „Stärkung der Bündnisfähigkeit Deutschlands“. Die Bundeswehr sei 15 Jahre lang vernachlässigt worden.  Das lasse sich nicht im laufenden Etat ausgleichen. Die neuen Kredite seien eine „Investition in unsere Freiheit“.

Merz pocht auf Mitsprache der Union

Unions-Fraktionschef Friedrich Merz war offenkundig von der Ankündigung des Kanzlers überrascht. Mit Blick auf den Ausbau der Bundeswehr würden CDU und CSU „diesen Weg mit Ihnen gehen“, versprach er der Koalition. „Aber ein Sondervermögen ist kein Vermögen“, sagte Merz zur möglichen Finanzierung, sondern es seien neue Schulden. Er pochte auf die Mitsprache seiner Fraktion, man könne diese Frage nicht einfach in einer „Regierungserklärung am Sonntagmorgen“ klären.

Die Ankündigung von Scholz und Lindner bedeutet, dass die Erhöhung des Wehretats allein durch neue Schulden finanziert werden soll und nicht aus laufenden Einnahmen in den kommenden Jahren. Unklar ist vorerst, ob die Neuverschuldung im Rahmen der Schuldenbremse erfolgen oder eine separate Lösung gefunden werden soll.

Lindner: Schuldenbremse gilt weiter

Lindner betonte, die Schuldenbremse gelte weiter. So blieb am Sonntag zunächst unklar, ob die Ampel das Vorhaben über die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse anschieben will oder separat via Verfassungsänderung. Die Einladung an die Unions-Fraktion, die Grundgesetzänderung mitzumachen, spricht für den zweiten Weg.

Sollte die Union nicht mittun, bliebe der Koalition die Möglichkeit, die Ukraine-Krise und ihre Folgen als Begründung zu nehmen, die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse für die Erhöhung der Wehrausgaben zu nutzen. Der russische Überfall auf die Ukraine und die damit verbundenen langfristigen Mehrausgaben könnten als „außergewöhnliche Notsituation“ eingestuft werden, welche die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt. Diese Verschuldung müsste dann mit einem Tilgungsplan versehen werden.

Allerdings müsste das der Bundestag gesondert beschließen. Denn die derzeitige Nutzung der Ausnahmeklausel, über die auch das Sondervermögen für Investitionen in den Klimaschutz (Energie- und Klimafonds) mit zusätzlich 60 Milliarden Euro gefüllt wurde, ist allein mit der Corona-Pandemie begründet worden. Gegen dieses Vorgehen der Ampel will die Unions-Fraktion in Karlsruhe klagen. So ist die Union hier in einer etwas verzwickten Lage zwischen Unterstützung beim höheren Wehretat (den Fraktionschef Merz grundsätzlich guthieß) und Opponieren beim Klimaschutz. Daher lautete das Fazit von Merz: „Darüber müssen wir dann in Ruhe und im Detail sprechen.“

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