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Hilfsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" tun in der Ebola-Krise das, was sie häufig tun: die Arbeit afrikanischer Regierungen.
© AFP

Ebola-Epidemie: Westafrika hat falsche Prioritäten gesetzt

Obwohl die Förderung von Rohstoffen den westafrikanischen Ländern Geld in die Kassen spült, haben sie nur wenig für den Aufbau funktionierender staatlichen Institutionen ausgegeben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Wolfgang Drechsler

Das ungeheure Ausmaß der Ebola-Epidemie im Westen von Afrika zeigt vor allem eines: Der Kontinent ist in seinem Inneren noch immer weit labiler, als es die derzeit verbreiteten Wachstumsszenarien vermuten lassen. Sonst könnte sich das Virus nicht so unerwartet lange ausbreiten und vor allem eine derartige Dimension annehmen. In anderen Weltregionen hätte Ebola jedenfalls kaum so heftig wüten können: Fast 900 Todesopfer in sechs Monaten - es ist der schlimmste Ausbruch seit Entdeckung der Krankheit vor fast 40 Jahren im damaligen Zaire.
Die sträfliche Vernachlässigung der eigenen Gesundheits- und Bildungssysteme in fast allen schwarzafrikanischen Staaten hat großen Anteil daran, dass Unwissen und Aberglaube in weiten Bevölkerungskreisen der Region vorherrschen. Gepaart mit mangelnder Hygiene und fehlenden Investitionen in Hospitäler und Personal ist dies nun zu einem explosiven Gemisch eskaliert.

Afrikas Präsidenten lassen sich im Ausland behandeln

Dabei haben viele afrikanische Staaten Geld - vor allem Rohstoffe bringen es in die Kasse, etwa in Guinea. Obwohl das Land, in dem der Ebola-Ausbruch im März begann, gerade erst ein 20 Milliarden Dollar teures Eisenerzprojekt mit dem Bergbauriesen Rio Tinto vereinbart hat, wurde das Sozialbudget in den vergangenen Jahren immer weiter beschnitten. Statt ihre maroden Gesundheitssysteme zu verbessern, finanzieren Afrikas Führer lieber Hospitäler im Ausland, die sie im Bedarfsfall selbst nutzen. So lässt sich Simbabwes Diktator Robert Mugabe seit Jahren in Malaysia und Singapur behandeln,  weil die Krankenhäuser im eigenen Land zu desolat sind. Selbst in Südafrika, dem  einzigen Industrieland des Kontinents, brach der Krankenwagen, der den Volkshelden Nelson Mandela vergangenes Jahr ins Hospital brachte, offenbar wegen fehlender Wartung auf halber Strecke zusammen.
Viel zu lange haben die Politiker in Westafrika zudem die Ebola-Gefahr heruntergespielt und als dummes Gerede von Außen abgetan. Dabei könnte ohne westliche Hilfe nun keine der Regierungen in Guinea, Sierra Leone oder Liberia den Vormarsch der Krankheit stoppen. Wieder einmal erledigen Hilfsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" und ihre mutigen Mitarbeiter Aufgaben, für die eigentlich Afrikas Regierungen zuständig wären.

Wenn Ebola in Nigeria außer Kontrolle geriete, wäre auch der ökonomische Schaden groß

Zumindest ökonomisch dürften die Kosten dennoch überschaubar bleiben, schon weil ein Großteil der Hilfsgelder zur Bekämpfung der Epidemie aus dem Ausland kommt. Auch handelt es sich bei den drei betroffenen Ländern um sehr kleine Volkswirtschaften mit insgesamt nur rund 20 Millionen Menschen, was wenig mehr als einem Prozent der afrikanischen Gesamtbevölkerung entspricht. Es gibt dort weder nennenswerten Tourismus noch eine international verzahnte Wirtschaft. Etwas ganz anderes wäre es jedoch, wenn das Virus auch in Afrikas bevölkerungsreichstem Staat Nigeria mit seinen 175 Millionen Menschen außer Kontrolle geraten sollte. Afrikas größte Volkswirtschaft leidet bereits jetzt unter einer mehrjährigen Terrorkampagne der Islamisten-Sekte Boko Haram, die den staatlichen Zusammenhalt bedroht. Negative Folgen dürfte die Ebola-Epidemie aber vor allem für das Image Afrikas haben und womöglich auch die Bereitschaft, dort größere Summen zu investieren, zumal die Nachrichten aus dem Kontinent seit Jahresbeginn vor allem vom Terror in Schlüsselländern wie Nigeria und Kenia sowie von einem brutalen Bürgerkrieg in Zentralafrika dominiert werden. Nun gesellt sich ein hochgefährlicher Virus zu diesem unguten Mix. Schuldlos sind Afrikas Regierungen an alledem sicher nicht: Vom Horn des Kontinents im Osten bis an die westafrikanische Küste erstrecken sich viele Länder, deren Saatschefs weder der Bedrohung durch den Terror noch durch tödliche Viren gewachsen scheinen. Um gegenzusteuern, müssten sie endlich mit dem Aufau zumindest halbwegs tragfähiger Institutionen beginnen. Doch bis es dazu kommt, dürfte nach den Erfahrungen der Vergangenheit noch viel Wasser den Niger hinabfließen.

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