Frage-Antwort-Foren: Wer nicht fragt, bleibt stumm
Wie beschwöre ich Satan? Darf die Klobürste in den Geschirrspüler? Wo Nutzer im Internet Antworten geben, vermuten Forscher Altruismus.
Wie genau man am Ende auf dieser einen Seite gelandet ist, lässt sich im Nachhinein oft kaum rekonstruieren. Klick hier, Klick dort, einmal falsch abgebogen, schon ist es passiert. Jedenfalls: Auf der Seite, die ich meine, hat sich eine Nutzerin mit dem Namen „Skatergirl“ an die Netzgemeinde gewandt. Also an alle, die regelmäßig das Portal www.gutefrage.net besuchen und dort Probleme lösen wollen, die andere Menschen so umtreiben. Nutzerin „Skatergirl“ schrieb von einer bevorstehenden Party und der Überlegung, auf welche Weise sie sich dort mit Freunden die Zeit vertreiben könne: „Und da hab ich mir gedacht, ich frag einfach mal euch alle hier, ob ihr ein Ritual kennt, wie man Satan beschwören kann“.
Satan beschwören. Als Partygag. Ja klar. Mindestens ebenso verstörend wie die Frage selbst schien mir, dass sich nicht weniger als 26 andere Nutzer die Mühe machten, „Skatergirl“ zu helfen: Neben vernünftigen Reaktionen („Du hast doch einen Vollknall“) und betont sachlichen („Meinst du nicht, Satan hätte etwas Besseres zu tun, als bei dir im Zimmer aufzutauchen?“) finden sich auch solche, in denen penibel Beschwörungsregeln aufgelistet werden.
In demselben Forum möchte ein anderer Nutzer, Pseudonym „Eppendorf“, gern wissen, ob sich Klobürsten in der Spülmaschine reinigen lassen. Die Mehrheit der Antwortenden spricht sich dagegen aus, ein paar sind dafür, und wieder andere sagen: Ja schon, aber nur, wenn gerade kein Geschirr drinsteht.
Die Redensart, wonach keine dummen Fragen, nur dumme Antworten existierten, darf nach Besuch einer solchen Plattform als widerlegt gelten. Es gibt sogar extrem dumme Fragen. „Kann man Gewicht verlieren, indem man seinen Bauch reibt?“ – „Leben in Kanada Vögel?“ – „Meine Freundin will Schluss machen, ich auch... Was sollen wir tun?“ Ist alles gefragt und mit teils erschreckender Ernsthaftigkeit beantwortet worden.
Die erste der sogenannten Frage-Antwort-Plattformen startete vor 13 Jahren in Südkorea. Inzwischen gibt es allein 45 englischsprachige, dazu eine Handvoll deutsche. Ein Massenphänomen.
Was treibt Menschen an, Gesundheits-, Freizeit- oder Haushaltstipps zu geben und Fremde vor Satansbeschwörungen zu warnen? Geld gibt es keins, höchstens ein Dankeschön von demjenigen, der anschließend klüger ist. US-Forscher haben den Drang zum Ratgeben im Netz untersucht, und zieht man Besserwisserei und Profilierungssucht mancher ab, bleibt allein der Altruismus. Wie kein Medium zuvor macht das Internet sichtbar, wie viel Energie Menschen in Projekte stecken, von denen sie sich keinen eigenen Vorteil versprechen. Wer glaubt, Profitstreben sei Naturgesetz, der soll ins Internet gucken.
Bleibt zu klären, wie hilfreich die Angebote für den Fragenden sind. Ich habe mich bei mehreren Foren angemeldet und allen dieselbe Aufgabe gestellt: „Was könnte mich heute glücklich machen?“ Dies könne ein Satz oder eine Unternehmung oder auch eine Anschaffung sein, schrieb ich dazu. Was folgte, war ein Sturm kreativer Anregungen, bei denen ich drei Jahre bräuchte, um alle durchzuprobieren: Waldspaziergang, Eselsritt, Yogitee trinken, Bier vor vier, Loriot- Video, Purzelbaum, Tagebuch beginnen, an Mandarinenschalen riechen, fünf Meter barfuß laufen, Tante anrufen... Allein die Tatsache, dass sich so viele Fremde den Kopf zerbrochen haben, macht ein bisschen glücklich.
Auf meine zweite Probefrage („Wie kann ich meinem Chef einen reinwürgen? Er hat es verdient“) erhielt ich unter anderem den Ratschlag, einfach mal heimlich das Netzwerkkabel von seinem Computer zu trennen. Bin gespannt, wann er es merkt.
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