Spaß mit Trendforschern: Das Internet ist so gut wie erledigt
Wenn Alpha-Männer die Zukunft des Digitalen voraussagen, lohnt sich das Hinhören. Allein aus Unterhaltungsgründen.
Das Internet kann einen gruseln. Wie es sich so in alle Lebensbereiche reindrängt! Und in welchem Tempo das geschieht! Zum Glück ist damit jetzt Schluss. Die digitale Revolution ist nämlich in ihrem Zenit angelangt, das behauptet jedenfalls der Zukunftsforscher Matthias Horx, ja mehr noch: „Wie alle aufgepeitschten Wellen“ sei diese Revolution gerade dabei, „wieder in sich zusammenzufallen“. Man sollte die Worte unbedingt ernst nehmen. Matthias Horx, 60, gilt immerhin als der „einflussreichste Trend- und Zukunftsforscher im deutschsprachigen Raum“. Behauptet jedenfalls Matthias Horx.
Allerdings haben schon andere wichtige Menschen versucht, die Zukunft des Internets präzise vorauszusagen. Und mussten sich am Ende ganz arg schämen. Wenn die vergangenen 20 Jahre etwas gelehrt haben, dann wohl das: Wer immer behauptet, die künftige Entwicklung des Internets und seine Bedeutung für die Gesellschaft zu kennen, verdient Misstrauen.
Bei den Netzpropheten handelt es sich oft um ältere, gestandene Männer, die privat schon Probleme haben, wenn sie mal Daten von einem USB-Stick auf den Computer ziehen sollen. Häufig stellt sich heraus, dass diese Experten nicht mehr wissen als alle anderen, dafür aber entschiedener auftreten.
Da war Walther Zimmerli, Präsident der Privat-Hochschule Witten-Herdecke, ein Fachmann für angewandte Philosophie. 1999 machte Zimmerli einen besorgniserregenden Zukunftstrend aus: Die zunehmende Verbreitung des Internets werde zu einem gravierenden Wissensverlust der Menschen führen! „Das Problem ist, dass man benötigtes Wissen in den Datenmengen nicht mehr findet“, wusste Zimmerli.
Oder Robert Metcalfe. Renommierter US-Computerentwickler. 1995 prophezeite er in einer Zeitungskolumne, binnen der nächsten zwölf Monate werde das gesamte Internet so richtig am Ende sein, ja geradezu kollabieren. Zwei Jahre später steckte er die Zeitungsseite, auf der seine Kolumne abgedruckt war, vor Publikum in einen Mixer, schüttete Wasser hinzu und würgte die Brühe – ein Zeichen der Reue – als Cocktail herunter.
Bei Prognosen über das Internet grob danebenzuliegen, hat jedoch nicht zur Folge, dass die eigene Expertise fortan weniger ernst genommen wird. Einem Sony-Manager rutschte Anfang der Neunziger folgender Satz raus: „Das Internet ist eine Spielerei für Computerfreaks, wir sehen darin keine Zukunft“. Microsoft-Gründer Bill Gates hielt das Internet noch 1995 für einen „Hype“, mit dem man niemals Geld verdienen könne.
Mit derselben Überzeugtheit sagen Branchenkenner alle paar Jahre aufs Neue den nun aber wirklich unabwendbaren Tod von Plattformen wie Facebook, YouTube oder Twitter voraus. Noch nicht endgültig widerlegt ist dagegen der deutsche Verleger Christian DuMont Schütte. Der prophezeite im Frühjahr 2007 mutig: „In zehn Jahren ist Google tot.“
Steile These, aber: Womöglich zeichnen sich echte Internetkenner am ehesten dadurch aus, dass sie wildes Prognostizieren einfach bleiben lassen und Vermutungen nicht als Gewissheiten verkaufen. Gleiches gilt für Monetarisierungsmöglichkeiten klassischer Medien im Netz: Mehr als trial and error ist nicht möglich. Wer behauptet, den einzig richtigen Weg zu kennen, ist im Zweifel ein Hochstapler.
Matthias Horx, dieser einflussreichste Zukunftsforscher im deutschsprachigen Raum, hat sich übrigens schon in der Vergangenheit zur Entwicklung des Internets geäußert. Im März 2001 veröffentlichte er einen ausführlichen Essay in der „Welt“, in dem er das Ende des „digitalen Rausches“ verkündete. Die tägliche Nutzungsdauer des Internets werde abnehmen, besonders die Jugendlichen würden sich wieder vom Bildschirm verabschieden. Der schönste Satz lautete: „Das Internet wird kein Massenmedium – weil es in seiner Seele keines ist.“
Natürlich soll Matthias Horx auch weiterhin seine Prognosen anstellen dürfen. Das Lustige ist bloß: Es gibt immer noch Leute, die ihm zuhören.
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