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Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Grundsatzurteil zum ZDF den Einfluss der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk begrenzt.
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ZDF-Urteil: Weniger Staat wagen

Karlsruhe schränkt den Einfluss von Staat und Parteien beim ZDF ein. Jetzt endlich, nach den wiederholten Richtersprüchen für die Anstalten, gehört der Zuschauer und Zahler in die erste Reihe.

Das soll nicht wieder vorkommen. Die unionsgeführte Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat blockierte vor fünf Jahren die Vertragsverlängerung von Chefredakteur Nikolaus Brender. Die Quoten des Informationsprogramms seien gesunken, lautete die notgeborene Argumentation, in die die eigentliche Machtfrage eingewickelt war: Wer hat die Macht im Sender – die Politik oder die Programmmacher? Brender musste gehen, die SPD-geführten Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg gingen nach Karlsruhe. Motto: Wenn wir schon keine Mehrheit zur Macht haben, dann soll wenigstens auch die Union beides verlieren – die Mehrheit und die Macht.
Karlsruhe hat nun entschieden, dass die Staatsferne vergrößert, ein eindeutiges Abstandsgebot zwischen Parteipolitik und öffentlich-rechtlichem Rundfunk etabliert werden muss. Dieser dürfe nicht zum Staatsfunk werden, hieß es. Die Zahl der Vertreter von Bund und Ländern in Verwaltungsrat und Fernsehrat des ZDF wird sinken, der Magnetismus, mit dem sich die nicht parteigebundenen Vertreter im je roten und schwarzen „Freundeskreis“ anziehen ließen, möglichst verschwinden. Die Parteien bleiben ein Faktor. Das ist richtig so, Politiker sind ja nicht die Parias der Gesellschaft. Für die übrigen Gremienmitglieder ist Aufwachen angesagt. Kein Rat darf so tun, als sei jetzt im ZDF eine Geiselbefreiung geglückt. Nur das Elternprinzip ist abgeschafft, die gesellschaftlich relevanten Kräfte dürfen selber denken und handeln. Schwierig, doch machbar.

Was müssen ZDF und Co. heute leisten?

Gleichzeitig haben sich Politik und Rundfunk am Dienstag beim Bundesverfassungsgericht eine neue Kleiderordnung abgeholt. Der Beitragszahler zahlt weiter seine Zwangsabgabe, ARD und ZDF basteln weiter an einem neuen Jugendkanal. Hoffnung kommt von dritter Seite. Die Anti-Markus-Lanz-Petition war über die Maßen erfolgreich, binnen kurzer Zeit hatten mehr als 230 000 Petenten die Misstrauenserklärung über das öffentlich-rechtliche Programmmachen geklickt. Es geht um eine Ewigkeitsfrage: Was soll, was muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk leisten? All inclusive – also alle Sparten, alle Farben – oder mehr „Weltspiegel“, mehr Information, mehr Kultur, mehr E statt U auf allen medialen Plattformen?

Es ist ja nicht die Schuld der Parteipolitiker in den ZDF-Gremien, dass der Sender für Abermillionen Übertragungsrechte an der Champions League kauft, die beim Privatsender Sat 1 genauso gut verwertet wurden. Es ist nicht die Schuld der Parteipolitiker im RBB-Rundfunkrat, dass der Sender für Berlin und Brandenburg das erfolgloseste aller Dritten Programme ausstrahlt. Aber beides, der Kauf der Fußballrechte wie die Minderleistung des RBB-Fernsehens, weist auf ein eklatantes Versagen der Senderspitzen im Schulterschluss mit den Gremien hin. Daran ändert der Urteilsspruch aus Karlsruhe nichts.

Der Beitragszahler ist nicht wehrlos

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist seiner Idee nach viel zu kostbar und seiner Milliarden-Finanzierung nach viel zu teuer, als dass er in seinen privatistischen Verirrungen und Verwirrungen steckenbleiben darf. Und so kann auch der gemeine Beitragszahler aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts eine Gewissheit ziehen: Er ist nicht wehrlos. Er darf in Karlsruhe sein Recht auf einen Rundfunkbeitrag suchen, der fair erhoben, der transparent und angemessen Programm wird. Jetzt, endlich, nach den wiederholten Richtersprüchen für die Anstalten, gehört der Zuschauer und Zahler in die erste Reihe.

Joachim Huber

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