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War Alexander von Humboldt Wissenschaftler oder Forscher? Auf seinen Bruder Wilhelm geht das Konzept zurück, Wissenschaft sei Forschung und Lehre. Rot-Schwarz sieht das anders.
© dpa

Kontrapunkt: Von Humboldt erfunden, von Rot-Schwarz begraben

Das Wissenschaft- vom Forschungsressort zu trennen, ist in etwa so, als sei der Innensenator nicht mehr für die Polizei zuständig. Rot-Schwarz in Berlin ging es dabei nur um Macht und Verfügungsmasse.

Einige kleine Gedankenspiele vorweg. Man stelle sich vor, die neue rot-schwarze Berliner Koalition hätte bei dem Zuschnitt der Senatsressorts Folgendes vereinbart: Der Schulsenator verliert die Zuständigkeit für die Leistungskurse in der gymnasialen Oberstufe. Der Innensenator muss die Polizei abgeben. Die Wirtschaftsverwaltung darf sich nicht um mittelständische Unternehmen kümmern. Alles anderen Ressorts zugeteilt, um des Machtproporzes willen.

Das wäre absurd? Da würde getrennt, was untrennbar zusammengehört? Allerdings. Umso unverständlicher ist es, dass genau das jetzt im Bereich Wissenschaft passiert. Die Koalitionäre versuchen sie zu spalten. Die SPD bekommt ein Ressort „Bildung und Wissenschaft“, die CDU das Ressort „Wirtschaft, Technologie und Forschung“. Bitte was? Schon der Gedanke allein ist abenteuerlich, zwischen Wissenschaft und Forschung unterscheiden zu wollen. Schließlich besteht Wissenschaft aus Lehre UND Forschung. Das ist keine abstrakte Formel, sondern die Kernidee der modernen Universität. Erfunden wurde sie vor 200 Jahren in Berlin von Wilhelm von Humboldt. Das Humboldtsche Ideal ist eines der erfolgreichsten Konzepte, das je aus dieser Stadt gekommen ist, übernommen von den großen Universitäten dieser Welt. Man wünschte sich, die neue Regierung könnte – auf welchem Gebiet auch immer – irgendetwas vorweisen, das nur ansatzweise so erfolgversprechend ist.

Natürlich ging es den Koalitionären nicht um eine Neuinterpretation von Wissenschaft. Ihnen ging es schlicht um Macht und Verfügungsmasse, nur so ist der Irrsinn zu erklären. Das sieht man schon daran, dass die Aufspaltung sich nicht an inhaltlichen Fragen orientiert (bezeichnenderweise bemühen sich SPD und CDU nicht einmal, im Koalitionsvertrag irgendeine Begründung dafür zu finden). Es geht nur um den Punkt, wer künftig über welche Wissenschaftseinrichtung bestimmen darf. Das gilt zumal für die CDU. Deren Vorsitzender Frank Henkel schwadroniert zwar von einem „Zukunftsressort“. In Wahrheit hofft er aber nur, der Ruhm der Berliner Wissenschaft möge auch das Bild seiner glanzlosen Partei etwas aufpolieren. Vor allem nach der Charité wollte die Union greifen. Sie wollte so die anstehende Bundesförderung als politischen Erfolg für sich reklamieren können – obwohl den Deal maßgeblich der SPD-Senator Zöllner eingefädelt hat.

So weit ist es jetzt zwar nicht gekommen. Die Charité bleibt wie alle Universitäten bei der Wissenschaft. Ins Wirtschaftsressort wechseln jetzt allein die außeruniversitären Institute. Auch das bleibt merkwürdig genug. Der Wissenschaftsstandort kann schließlich nur gestärkt werden, wenn die Institute und die Unis näher zusammengeführt werden. Jetzt wird eine Mauer zwischen ihnen aufgebaut, die Wissenschaftler dürfen sich über noch mehr Verwaltungsarbeit freuen. Ein Beispiel: Ein Chemiker des Dahlemer Fritz-Haber-Instituts muss sich jetzt immer an die Wirtschaftsverwaltung wenden. Sein Kollege von der benachbarten Freien Universität muss dagegen zur Wissenschaftsverwaltung gehen. Arbeiten sie zusammen – was sehr wahrscheinlich ist – müssen sie künftig zwei Gänge unternehmen. Im Koalitionsvertrag setzen sich SPD und CDU für einen „Bürokratie-TÜV“ ein. Ist der TÜV ernst gemeint, müsste als erstes das gespaltene Wissenschaftsressort durchfallen.

Die Idee, die gesamte Wissenschaft mit der Wirtschaft in einem Ressort zusammenzuführen, wäre sicher diskutabel gewesen. Es hätte sogar gute Gründe dafür gegeben – wie, dass die Wissenschaft in einem gemeinsamen Ressort mit der Schule meistens untergeht. Und immerhin wäre ein solches Ressort ein Akzent der Koalition gewesen. So aber drängt sich der Eindruck auf, Rot-Schwarz kann mit der Wissenschaft kaum etwas anfangen. Dabei feiert eine Person immer wieder die „enorme Bedeutung der Wissenschaft für eine Metropole wie Berlin“. Es ist der Regierende Bürgermeister. Alles auf einmal vergessen, Herr Wowereit?

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