FDP in Berlin: Verwegen und verzweifelt
Die Berliner FDP liegt in Umfragen zur Abgeordnetenhauswahl bei kaum noch drei Prozent. Spitzenkandidat Meyer versucht, die Wahl zu einer Abstimmung über den Euro-Rettungskurs der Bundesregierung zu machen.
Es klingt verwegen, auch verzweifelt: Eine kleine Partei, in den Umfragen bei kaum noch drei Prozent, erklärt die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, wo es künftig um ein paar Autobahnkilometer mehr oder weniger und ähnliche kommunale Highlights geht, zur Abstimmung über den Euro-Rettungskurs der Bundesregierung. Soll heißen: Wer am Sonntag in Berlin FDP wählt, unterstützt den Bundesvorsitzenden Philipp Rösler, der sich vom Kurs der Kanzlerin abgesetzt hat und gegen deren Willen über eine Insolvenz Griechenlands spricht. Der Spitzenkandidat der Berliner FDP, Christoph Meyer, erklärt dazu, man lasse sich keinen „Kanzlerinmaulkorb“ anlegen.
Meyer ist also auf einmal voll auf Röslers Seite, jedenfalls tut er so. Vor kurzem klang das noch anders, da nannte der abgehängte Wahlkämpfer die Politik seiner Partei auf Bundesebene und vor allem von dessen Jungchef Rösler „wenig hilfreich“. Jetzt soll sie auf einmal der biegsame Bambus sein, mit dem Meyer es als politischer Stabhochspringer doch noch über die Fünfprozenthürde schaffen will. Tatsächlich setzt er seinen taktierenden Bundesvorsitzenden, der sich für biegsam wie Bambus hält, was er mit widerstandsfähig gleichsetzt, ziemlich unter Druck, denn der Berliner Landesverband schließt sich den innerparteilichen „Euro-Rebellen“ an, die mehr wollen, als Rösler gesagt hat.
Unredlich ist es nicht, was Meyer tut. Landtagswahlen haben immer auch bundespolitische Komponenten; eine Niederlage der FDP in Berlin würde auch als eine Niederlage Röslers beschrieben werden. Ein Einzug der Liberalen ins neue Abgeordnetenhaus bekäme jetzt allerdings eine Bedeutung, die weit über Rösler hinausweist. Gelänge der Coup, so kurz vor der Wahl, bekäme die deutsche Euro-Debatte eine ungeheure Dynamik, denn Skeptiker der Rettungsmaßnahmen gibt es in allen Parteien, die CSU vorneweg. Rettet sich die FDP, indem sie die Rettung Griechenlands verweigert, steht sie bald vor einer fatalen Entscheidung: klein beigeben, wenn die Kanzlerin hart bleibt – oder raus aus der Regierung. Auch Bambus bricht irgendwann.