Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien: Unser Problem mit Europas Freizügigkeit
Innenminister Hans-Peter Friedrich warnt vor Einwanderung - vor allem von Roma aus Rumänien und Bulgarien. Dabei ist nicht das Prinzip der europäischen Freizügigkeit das Problem. Es passt nur nicht zum deutschen Sozialstaatsgedanken.
Ulrich Maly, der Präsident des Deutschen Städtetags, gab am vergangenen Mittwoch ein aufschlussreiches Radiointerview. Darin warnte er davor, die Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren zu dramatisieren – und wirkte gleichzeitig dem Eindruck entgegen, den seine Vereinigung zuvor selbst vermittelt hatte. Noch im Februar hatte es in einem Positionspapier des Städtetags geheißen, wegen ebendieser Zuwanderung seien „die soziale Balance und der soziale Friede in den Städten in höchstem Maße gefährdet“. Für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) war das Papier ein willkommener Anlass, um die Probleme von „Armutseinwanderung“ zu thematisieren – wie er es auch am Donnerstag beim Treffen der EU-Innenminister wieder tat.
Malys Äußerungen waren vermutlich gut gemeint – gleichzeitig aber legen sie ein Grunddilemma der deutschen Migrationsdebatte offen. Auf den Zuzug von Roma nach Deutschland angesprochen, sagte der Bürgermeister: „Ich denke – ich möchte den Bogen ein bisschen weiter spannen –, dass gerade Deutschland auch noch eine historische Schuld abzutragen hat an den Roma.“ Dann fuhr er fort: „Wir haben unterdurchschnittlich viele Bulgaren, Rumänen, und die meisten von denen sind entweder Studierende oder arbeiten sozialversicherungspflichtig.“ Indirekt machte er damit klar, von welchen Grundvoraussetzungen die deutsche Einwanderungspolitik geprägt ist: erstens davon, das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Und zweitens, dass Einwanderung zumindest dann gut sein muss, wenn sie unseren volkswirtschaftlichen Interessen dient.
So schafft man keine größere Akzeptanz von Zuwanderern
Beide Perspektiven wirken seltsam selbstbezogen – und tragen gerade deshalb nicht zur größeren Akzeptanz von Zuwanderern bei. Denn diese Akzeptanz kann nur auf der Basis von Freiwilligkeit, in einem beiderseitigen Lernprozess, entstehen. Dazu gehört, dass die in der Tat schwierige Situation der Roma in Rumänien und Bulgarien auch in Deutschland verstanden wird. Dazu gehört aber auch die Einsicht, dass Integration nicht bloß aufgrund einmal verabschiedeter europäischer Rechtsprinzipien gelingen kann.
Ausgerechnet der Zentralratsvorsitzende der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose, hat darauf kürzlich hingewiesen. Er sagte: „Integration ist immer eine Sache, die von beiden Seiten geleistet werden muss.“ Damit offenbart er einen realistischeren Blick auf die Angelegenheit als viele Politiker, die so tun, als käme der Hinweis auf einen eventuellen Missbrauch von Sozialleistungen einem Verrat an der Idee der europäischen Einigung gleich.
Dabei entstehen mögliche Akzeptanzprobleme erst dann, wenn der generelle Grundsatz der europäischen Freizügigkeit auf den Sozialstaatsgedanken trifft, der in den einzelnen EU-Staaten eben unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Insofern ist es vor allem Symbolpolitik, wenn der deutsche Innenminister weiterhin den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Schengen-Zone blockiert. Wer nach Deutschland möchte, wird sich auch von einem Schlagbaum an der Grenze nicht aufhalten lassen. Welche Voraussetzungen für den Bezug von Hartz IV notwendig sind, darüber allerdings kann die deutsche Politik durchaus diskutieren – und die Entscheidung nicht alleine den Gerichten überlassen, so wie es zurzeit der Fall ist.