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Seit Wochen dauern die Kämpfe zwischen pro-russischen Aufständischen und der ukrainischen Armee (Foto) schon an.
© AFP

Nato warnt vor Eskalation: Ukraine: Der Krieg ist schon da

Letzte Chance für die Diplomatie: Europa darf nicht untätig abwarten, was Putin entscheidet. Besser wäre es, Steinmeier reist mit seinem französischen und polnischen Kollegen nach Kiew und Moskau, um zu retten, was zu retten ist. Vielleicht hat die Kanzlerin dafür gerade den Weg freigegeben.

Es herrscht Krieg in der Ukraine: mit Toten, Verwundeten, zerstörten Städten, abgeschossenen Flugzeugen. Schon bald könnte alles noch schlimmer kommen. Wer sehen will, kann die Eskalation verfolgen: die Zuspitzung des Kampfes um Donezk zwischen ukrainischen Einheiten und den Separatisten; den Aufmarsch russischer Truppen an der Grenze; die Großübung der russischen Luftwaffe; die Kriegsparolen in russischen Staatsmedien, die zur Rettung „russischer Brüder“ aufrufen.

Ausflüchte, leere Versprechen - der Westen ist frustriert

Europa darf in diese Ausweitung des Krieges nicht hineinschlittern. Die Bundesregierung, die noch die besten Kontakte zu Wladimir Putin hat, muss alles versuchen, um die Eskalation abzuwenden. Ein Angriff des russischen Militärs auf die Ukraine würde diesen Krieg in eine neue Dimension katapultieren. Doch ausgerechnet in diesen Tagen blieben die Gesprächskanäle unheilvoll still, bis am Mittwoch Abend, als sich Angela Merkel erstmals wieder mit Putin in Verbindung setzte. Die Kanzlerin und ihr Außenminister hatten zuvor – ebenso wie US-Präsident Barack Obama – den Eindruck, dass ihre Mahnung, zum diplomatischen Krisenmanagement zurückzukehren, bei Putin & Co nur noch akustisch ankommt, aber nicht mehr gehört wird. Dass die Moskauer Führung in einer anderen Welt mit anderen Bildern von der Realität lebt. Sie sind frustriert von Ausflüchten und leeren Versprechen. Putin soll durch die Sanktionen verstehen, dass sie nicht zahnlose Tiger sind, auch wenn sie, anders als er, nicht gleich Militär in Marsch setzen. Er soll sich melden, wenn er ernsthaft ins diplomatische Geschäft kommen wolle.

Bei dieser Funkstille durfte es nicht bleiben, weil eine potenziell katastrophale Zuspitzung droht. Der Treibsatz sind nicht die Sanktionen und Gegensanktionen, auch wenn manche das wegen der zeitlichen Abfolge vermuten. Die Sanktionen bedeuten momentan keine existenzielle Gefahr, die einen Krieg rechtfertigt. Der wahre Auslöser der Eskalation sind die militärischen Erfolge der ukrainischen Armee im Kampf gegen die Separatisten. Putin hat sich verkalkuliert. Er hatte – vielleicht aus überzogenem Glauben an seine eigene Propaganda – gehofft, dass die Abspaltungsoption unter einem Teil der Bewohner des Donbass genügend Resonanz findet, dass er die Erhebung als Volksaufstand gegen Kiew darstellen kann. Wie auf der Krim ließ er „grüne Männchen“ einsickern und mehrere Stadtverwaltungen unter vorgehaltenen Waffen übernehmen. Doch die Unterstützung aus der Region blieb aus.

Die ukrainische Militäroffensive ist gefährlich

Kiew wagte lange nicht, die Separatistenstädte zurückzuerobern, aus Sorge, Russland einen Vorwand zur Intervention zu liefern. Europa und die USA empfahlen anfangs ebenfalls Zurückhaltung und Verhandlungen über Autonomierechte für die Region. Die kamen nie recht in Gang, auch weil Russland und die Separatisten keine Kompromissbereitschaft zeigten, solange sie sich militärisch überlegen fühlten. Um die Blockade zu brechen, rieten die USA und Polen der Ukraine zur Rückeroberung. Die Bundesregierung trug dies stillschweigend mit.

Die Militäroffensive war von Anfang an eine gefährliche Strategie. Die Ukraine hat zwar alles Recht, ihr Staatsgebiet von Separatisten zu befreien. Aber sie riskiert früher oder später den Gegenschlag Putins. Russland ist überlegen. Wenn Putin die Niederlage der Separatisten um jeden Preis verhindern will, ist er dazu in der Lage. Der Moment der Entscheidung naht schneller, als Europa lieb sein kann. Lässt Putin sein Militär auf die Ukraine los, kennt er den Preis. Der Westen wird es nicht hinnehmen. Er wird nicht militärisch eingreifen, genauso wenig wie 1956 in Ungarn oder 1968 in Prag. Konsequentes „Containment“ wird die Antwort sein, eine Art neuer kalter Wirtschaftskrieg.

Mit seiner Selbstisolierung könnte Putin seinen Sturz einleiten

Ist Putin bereit, das zu riskieren? Mit der Selbstisolierung könnte er über kurz oder lang seinen Sturz einleiten. Doch Europa darf nicht untätig abwarten, was er entscheidet. Besser wäre es, Steinmeier reist mit seinem französischen und polnischen Kollegen nach Kiew und Moskau, um zu retten, was zu retten ist. Vielleicht hat die Kanzlerin am Mittwoch Abend den Weg dafür freigegeben.

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