Illegale Autorennen: Überforderte Polizei, lascher Rechtsstaat
PS-Grenzen und Geldstrafen schrecken Totraser nicht ab, langjährige Haftstrafen schon. Ein Kommentar.
Klar, da tritt der Raser gleich auf die Bremse. Blitzer am Kudamm! Echt blöd, sagen die polizeibekannten Jungs, brechen die testosteron-hochtourigen Muskelspiele mit aufgemotzten Boliden ab und trollen sich heim zu Mutti.
Oder PS-Grenzen für Jungmänner, wie Senator Henkel fordert. Auch 60 PS können töten.
Aus solchen Vorschlägen spricht gesammelte Hilflosigkeit. Als ob Raser nicht ahnten, dass es Tote bei der rücksichtslosen Hatz geben kann. Es passiert immer wieder. Erst im Dezember wurde bei einer ähnlichen Raserfahrt an der Karl-Marx-Allee ein Taxifahrer getötet. Der 25-jährige Totraser war betrunken und ohne Führerschein unterwegs und wie sein Beifahrer als Intensivtäter bekannt.
Der sicherste U-Bahnhof der Stadt?
Vom Tatort Straße zum Tatort Kottbusser Tor. Ruppig ging es dort immer zu, doch nun ist der Kreisel selbst für Anwohner eine No-Go-Area. Erinnert sich noch jemand daran, dass Polizei und BVG vor zwei Jahren ankündigten, den Ort zum sichersten U-Bahnhof der Stadt machen zu wollen? Seitdem haben sich Überfälle, Körperverletzungen und Raub verdoppelt.
Wir erinnern uns auch gerne an einen Innensenator, der bei seiner Wahl 2011 versprach, Berlin sicherer zu machen. Die Polizei ist seitdem durch neue Strukturen schlagkräftiger geworden, auch gibt es 240 Beamte mehr. Auch wenn bis 2018 weitere 400 dazu kommen, bleibt die Polizei überfordert vom Bevölkerungswachstum und neuen Tätergruppen. Man muss nicht der Polizeigewerkschaft glauben, die von 1500 fehlenden Beamten spricht, aber sich ins Gedächtnis rufen, dass die Polizei vor Beginn des Berliner Spardiktats 2001 noch 1400 Polizisten mehr hatte als heute.
Mehr Polizei allein ist aber kein Allheilmittel. Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Polizei rund um die Uhr an allen bekannten Brennpunkten und eventuellen Tatorten präsent sein kann. Aber oft genug sinkt bei den Beamten die Arbeitsmotivation im gleichen Maße, wie ihr Verdruss über den Rechtstaat steigt. Immer wieder erleben die Beamten, dass brutale Täter nach Roheitsdelikten oder Messerattacken nach Hause gehen dürfen, während die Opfer in der Klinik um ihr Leben kämpfen.
Delikt und Strafe müssen in einem für alle nachvollziehbaren Zusammenhang stehen
Ob jemand in Untersuchungshaft genommen wird, hat nicht nur mit der Schwere der Tat zu tun, sondern auch damit, ob er oder sie einen festen Wohnsitz hat. Den haben die Totraser allemal, und die Familien – oft mit Migrationshintergrund – haben auch das Geld, damit der Nachwuchs schnell wieder eine motorisierte Mordwaffe zur Verfügung hat, egal, ob der Führerschein weg ist. Und irgendwann kommt eine Geldstrafe.
So wächst bei Tätern kein Gefühl der Schuld, sondern der Allmacht über einen laschen Staat. Vor Jahren ging Berlin erfolgreich gegen jugendliche Intensivtäter vor: schnelles Urteil, schneller Haftantritt. Das machte Eindruck. Inzwischen ist eine neue Generation nachgewachsen. Es ist Zeit für neue Konzepte in enger Kooperation von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Eine Messerattacke muss als Totschlag und ein Wagen als Tatwaffe gelten. Wer Menschen totrast oder mit dem Messer schwer verletzt, darf nicht wegen Körperverletzung auf Bewährung frei kommen, sondern muss zu mehrjähriger Haft wegen Totschlags verurteilt werden. Das spricht sich rum.