Rot-schwarze Koalition: Tiefenreinigung für die Berliner CDU
Die Koalition von SPD und CDU markiert für Berlins Union einen möglichen Neuanfang - wenn sie Probleme geräuscharm anpackt und neue Ideen liefert.
Preisfrage: Wer will Berlin zur Modellstadt für Elektromobilität machen, zur „E-tropolis“, mit Solarwirtschaft als „Schlüsselindustrie“? Na klar, die CDU. So viel zu Feindbildern. Es war der Unternehmer und stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Thomas Heilmann, ein Quereinsteiger, der sich in der Facebook-Welt besser auskennt als viele Piraten, der schon vor Jahresfrist ein solches Konzept vorlegte. Da war eine grüne Kandidatin Renate Künast noch fern, und Klaus Wowereit kleckerte beim Thema hinterher.
Wer vor Kulturbrüchen und dem Trauma der letzten Großen Koalition warnt, könnte sich wundern. Wenig Ideologie und viel politischer Pragmatismus sind für die Koalitionsgespräche zu erwarten. Da wird nicht nur die Autobahn A100 durchgewinkt. Das gilt auch für die Wirtschaft. Man ist sich einig über die weitere Nutzung des Flughafens Tegel als Innovationsstandort und über den Ausbau des Schönefelder Airports.
Zurück in den Senat nach zehn Jahren in der Schmuddelecke – darauf durfte in Berlins Union niemand hoffen. Landeschef Frank Henkel aber weiß, dass er eine Partei auf Bewährung führt. Er hat eine hoffnungslos zerstrittene Patientengruppe wieder zu einer an der Stadt orientierten Partei gemacht – doch selbst nach dem Bankenskandal 2001, als die einstige 40-Prozent-Partei der Paria der Stadt war, war das Wahlergebnis kaum schlechter als jetzt. Von den neuen werteorientierten und liberalen Bürgerlichen wird die CDU nicht gewählt. Vorbei die Zeit, als sich der Ex-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger die CDU als Jamaika-Avantgarde schönträumte. Doch die Tiefenerneuerung endet nicht weit hinter dem Vorstand.
Die CDU wird nur von einer Koalition profitieren, die Probleme geräuscharm anpackt und neue Ideen liefert. Etwa einen Staatssekretär für Unternehmens-Ansiedlungen beruft, um endlich die Arbeitslosigkeit zu senken. Selten war deshalb ein Bündnis so billig zu haben. Nachdem auch die Bundes-CDU auf das zweigliedrige Schulsystem zusteuert, hat sich Berlins Union mit der Sekundarschule abgefunden, zumal die SPD keine Lust auf den Kulturkampf gegen das Gymnasium hat. Ob Berlin nun 200 Polizisten (SPD) mehr braucht oder 250 (CDU) wird eine Koalition nicht entzweien, in der die Partner erkannt haben, dass Sicherheit im öffentlichen Raum die Bürger nach schrecklichen Gewalttaten enorm bewegt. Und Wowereit, der Vorbehalte gegen den Rückkauf kommunaler Unternehmen wie der Wasserbetriebe hat, findet in Henkel einen Partner, der die linken Sozialdemokraten in Schach hält. Wie man mehr Wohnungen baut, privat oder kommunal, ist dann ebenfalls lösbar.
Selbst in der ideologielastigen Frage, wie hart man Integrationsverweigerer anpackt, könnte es wenig Streit geben, weil das Bundeskompetenzen berührt. Das Thema wird aber Aufschluss darüber geben, wie stark die „alte“ CDU noch ist. Die konservativen Hardliner in Schach zu halten, damit es nicht zum Scharmützel mit der SPD-Linken kommt, wird Henkels Führungskunst fordern. Wenn das gut klappt, kann die Koalition zum Wachstumsbeschleuniger für eine wirklich neue Berliner CDU werden.