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Natürlich mit Küsschen. Die Kanzlerin ist aber nicht nur gekommen, um "nur" mit dem Premier zu reden. Sondern...
© reuters

Kanzlerin zu Besuch in London: Taktik zum Tee

Cameron und Merkel haben beim Treffen in London für alle sichtbar ihre guten Beziehungen betont. Beide wollen so den Spielraum gegenüber ihren jeweiligen europapolitischen Kritikern vergrößern.

Mit François Hollande war David Cameron im Pub. Im „Swan“ in Oxfordshire gab es für den Franzosen ein kleines Bier. Für Angela Merkel rollte Cameron am Donnerstag alle roten Teppiche aus, die er bei Harrod’s finden konnte: Die Kanzlerin durfte vor beiden Häusern des britischen Parlaments eine Grundsatzrede halten, um sich dann mit der Königin im Buckingham-Palast zum Tee zu treffen. Herlind Kasner, Merkels Mutter, die bis vor kurzem an der Volkshochschule Templin Englisch unterrichtete, konnte sich freuen, der abgespeiste Franzose sich ärgern. Denn darum ging es Cameron und Merkel (sie redet in der Pressekonferenz von „David“): für alle sichtbar eine gute Beziehung zu betonen. Das allein vergrößert den Spielraum gegenüber ihren jeweiligen europapolitischen Kritikern. Cameron kann sich brüsten, Einfluss auf die mächtigste Figur in Europa auszuüben; Merkel zeigt sich offen für Kritik an der wachsenden Macht Brüssels.

Dass sie nicht alle Reformwünsche der Briten unterstütze, sagt Merkel gleich zu Beginn ihrer Rede. Cameron wäre naiv, wenn er etwas anderes erwartet hätte. Dafür liefert sie (wie schon bei ihrer Rede im amerikanischen Kongress) Pathos: Sie lobt die Briten für ihren Kampf gegen die Nazis und erzählt, dass sie 1990, noch vor der Wiedervereinigung, zum ersten Mal nach London und zur „Speakers’ Corner“ im Hyde Park gekommen sei. Das sei gerade für sie als Ostdeutsche ein „Symbol der freien Rede“ gewesen. Und wer davon noch nicht gerührt war, bekam zu hören: „Wir brauchen ein starkes Großbritannien mit starker Stimme innerhalb der EU.“ Ihre Rede war, was die britischen Zuhörer mehr erstaunte als die deutschen, freundlich, aber vage – zu vage für die EU-Kritiker in Camerons eigenen Reihen.

So positiv die Briten die Deutschen heute sehen, und so sehr die Deutschen umgekehrt lernen mussten, dass die britische Kritik am Euro nicht unberechtigt war, nur weil sie von Margaret Thatcher formuliert wurde, so unterschiedlich sind inzwischen die Haltungen zur Europäischen Union. Gerhard Schröder und Tony Blair hätten vielleicht noch eine gemeinsame, andere Europapolitik verfolgen können, jetzt ist es dafür zu spät. Auch der Tee mit der Queen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es inzwischen nur noch für eine taktische Partnerschaft zwischen beiden Ländern reicht. David Cameron sollte nicht den Fehler machen, anzunehmen, dass es Merkel bei diesem Treffen um mehr gegangen ist.

Moritz Schuller

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