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Der französische Präsident Emmanuel Macron bei einer Videoschalte Ende Februar.
© AFP

Knigge zu Coronas Zeiten: Statt schlaffem Händedruck gibt es jetzt den sexy Faustcheck

Der Elyséepalast wird eine Festung, das Kanzlerinnenamt ein Turm. Das Coronavirus zwingt uns, die alten Regeln des Zusammenlebens zu überdenken. Eine Kolumne.

Wird das Coronavirus die Politik in eine noch größere Krise stürzen? Was, wenn Röttgen, Laschet und Merz unter Quarantäne gestellt werden, zu Hause auf grauen Vollkornnudel- und Tütensuppen-Diät festsitzen und sich auf Netflix eine Serie nach der anderen reinziehen? Und währenddessen Jens Spahn ihnen die Show stiehlt und zum schneidigen Kanzlerkandidaten aufrückt?

Was, wenn die Bundestagsabgeordneten vor verschlossenen Türen stehen? Und Angela Merkel wie eine Prinzessin aus Grimms Märchen in der siebten Etage ihres Turms im Bundeskanzlerinnenamt eingesperrt ist? Um Deutschland wäre es geschehen.

Abstandhalten zu Macron

Nein, dies ist nicht das apokalyptische Szenario eines Science-Fiction-Filmes. In Frankreich hat sich das Virus schon im Parlament ausgebreitet. Neun Abgeordnete wurden positiv getestet in diesem Reagenzglas, in dem 4 000 Menschen aus allen Ecken Frankreichs auf engstem Raum koexistieren. Gleich wurden drakonische Maßnahmen ergriffen, um den Präsidenten zu schützen.

Sein Büro im Elyséepalast wurde in eine Festung verwandelt. Nur noch seine engsten Mitarbeiter haben Zugang. Dabei hat Emmanuel Macron keineswegs vor, kurz vor den für ihn so wichtigen Kommunalwahlen am Sonntag von der Bildfläche zu verschwinden. Man könne ein Land ja wohl nicht per Telefon oder Videokonferenz regieren, protestierte man im Elyséepalast.

Faust statt Küsschen

Vorbei das Bad in der Menge, das Händeschütteln, die Umarmungen, ja selbst die – je nach Region – zwei oder vier Küsschen rechts und links auf Wählerwangen, die der Präsident hin und wieder verteilt. All diese der Virusverbreitung verdächtigen Gesten wurden verbannt. Niemand – mit Ausnahme seiner Frau Brigitte – darf sich dem Präsidenten auf weniger als einen Meter nähern.

Das Coronavirus zwingt uns, die alten Regeln des Zusammenlebens zu überdenken und den Knigge zu entstauben. Sie müssen doch zugeben: Der amerikanische Faustcheck ist eh viel sexyer als ein schlaffer Händedruck. Ein Friedrich Merz, der seine Faust gegen die Faust eines Kollegen donnert: Schon hätte er etwas von einem testosterongeschwängerten Jugendlichen, er müsste nur noch eine Hipster-Wollmütze auf seine Glatze setzen und – ab mit ihm in die Schlange vor dem Berghain!

Fußcheck und Namasté

Eine andere Variante ist der Fußcheck. Ein kleiner Tritt, nur scheinbar vorsichtig, versteht sich, wenn ein Abgeordneter der Linken ihn einem AfD-Mitglied verpasst. Oder das Namasté, zwei Hände vor der Brust gefaltet, und schon fühlen sich die älteren Grünen, die mit der Digitalisierung nicht mehr so ganz mitkommen, zurückversetzt in die verrauchten Ashrams ihrer Jugend.

Oder – nicht zuletzt – wie wäre es mit dem Hand aufs Herz der Pfadfinder? Für die Anwärter auf das Kanzleramt, die ihre Chancen verbessern und ihren Rivalen den Virus mitgeben wollen, bietet sich das Ellbogenreiben an, denn es ist in dieser Hinsicht sehr effizient, seit alle auf Anraten der Virologen in ihre Armbeuge niesen.

Und warum nicht die gute alte Verbeugung wieder einführen? Schon hätten wir die Monarchie zurück. Hunderte von Sissis, Pompadours und kleinen Sonnenkönigen mit Puder und Perücken würden sich im Bundestag voreinander verbeugen. Die arme Angela Merkel müsste aber dennoch auf den Handkuss verzichten, den sie so sehr schätzt.

Aus dem Französischen von Odile Kennel

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