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Japans Premier Shinzo Abe.
© Reuters

Japans Premier triumphiert bei Wahl: Shinzo Abe siegt mangels Alternative

Japans Premier Shinzo Abe mutet den Bürgern einiges zu. Dennoch geben sie ihm in vorgezogenen Neuwahlen eine Zweidrittel-Mehrheit. Warum? Ein Kommentar.

Dieser Triumph gibt Rätsel auf. Japans konservativer Regierungschef Shinzo Abe tut lauter Dinge, mit denen man sich bei Bürgern unbeliebt macht. Er kündigt weitere Zumutungen an – und dann erhält seine Koalition in vorgezogenen Neuwahlen eine satte Zweidrittelmehrheit.

Rätsel 1: Drei Jahre nach dem GAU im Atomkraftwerk Fukushima infolge von Tsunami und Erdbeben hatte Abe den Ausstieg aus der Kernkraft im Frühjahr rückgängig gemacht. Den Atomstrom will er wieder fördern. Eine erdrückende Mehrheit ist dagegen. Trotzdem gewinnt er haushoch.

Rätsel 2: Abes Wirtschaftspolitik hat den erhofften Aufschwung bisher nicht gebracht. Die sogenannten „Abenomics“ beruhen auf Geldvermehrung und staatlichen Konjunkturprogrammen. Den Japanern bescherten sie eine Yen-Abwertung, die zwar Exportfirmen nützt, aber die Importprodukte für Haushalte teurer macht, dazu eine Schuldenquote, die weit über der anderer Industrieländer liegt, sowie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in zwei Stufen. Die erste hat das Land hinter sich, die zweite hat Abe auf 2016 verschoben. Im Wahlkampf bat er um Zustimmung. Den Bürgern bleibt weniger im Portemonnaie. Gleichwohl triumphiert Abe in der Wahl.

Rätsel 3: In der Außen- und Sicherheitspolitik strebt Abe die Abkehr von der pazifistischen Verfassung an, die sich Japan als Lehre aus der nationalen Katastrophe im Zweiten Weltkrieg gegeben hatte. Das ist umstritten, auch weil solche Debatten zu Spannungen mit China und Korea führen, wo die Erinnerung an die japanische Besetzung lebendig ist. Unpopulär sind auch Abes Pläne, die amerikanische Militärpräsenz auszuweiten. Auf Okinawa, wo drei Viertel der US-Truppen stationiert sind, verlor Abes Partei LDP alle Sitze. Umso erklärungsbedürftiger ist, warum er dennoch so hoch siegte.

Abes Stärke ist eine Scheinstärke. Sie verdankt sich in erster Linie der Schwäche der Opposition. Die Demokratische Partei DPJ hatte von 2008 bis 2012 regiert, aber viele Bürger mit handwerklichen Fehlern tief enttäuscht. Davon hat sie sich bis heute nicht erholt. Sie gilt nicht als überzeugende Alternative. So ging annähernd die Hälfte der Bürger nicht zur Wahl. Motiviert waren vor allem jene, die Abes Kurs für richtig halten und eine Prise Nationalpopulismus schätzen. „Alternativlos“ ist wohl doch kein gutes Argument in der Politik. Und kein erstrebenswerter Zustand für eine Demokratie.

Christoph von Marschall

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