Berliner Staatssekretär mit Stasi-Vergangenheit: Senat darf sich nicht hinter der Humboldt-Uni verstecken
Der Berliner Senat lädt die Entscheidung über den umstrittenen Staatssekretär Andrej Holm bei der Humboldt-Universität ab. Das ist ein Fehler. Ein Kommentar.
Es ist ein Drama, persönlich wie politisch. Und man ist geneigt, Andrej Holm einen Ausweg zu wünschen, der dem renommierten Stadtsoziologen und umstrittenen Baustaatssekretär auf Probe eine neue Gegenwart erlaubt; auch eine Zukunft ohne ständig mit seiner Vergangenheit als Stasi-Offiziersschüler konfrontiert zu werden. Doch dieser Ausweg ist längst durch politischen Dilettantismus verbaut worden.
Die Linke hält an Holm fest, obwohl er bei seiner Anstellung an der Humboldt-Universität falsche Angaben zu seiner Biografie gemacht hatte – ein Verhalten, das in den vergangenen 27 Jahren viele Lehrer und auch Uni-Angestellte ihren Job kostete. Die Koalitionspartner SPD und Grüne haben sich breitschlagen lassen, zunächst eine erneute Prüfung durch die Universität abzuwarten. Und Holm selbst will nicht von sich aus zurücktreten, weil er den Makel dann wohl erst recht nicht los werden würde. Damit wird eine politische Frage – ist Andrej Holm integer genug für einen Regierungsposten? – von einer personalrechtlichen Einzelfallentscheidung abhängig gemacht. Das ist ein Fehler des gesamten Senats.
Ein ehrlicher Umgang mit seiner Biografie hätte Holms Glaubwürdigkeit gestärkt
Eigentlich dachte man, wir wären schon weiter bei der Beurteilung von Biografien. Und tatsächlich hätte das klappen können: Andrej Holm tritt zweieinhalb Jahrzehnte nach seinen Jugendmonaten als Stasi-Offiziersschüler eine politische Karriere in der Demokratie an – nach Überstehen der üblichen und gerade in Berlin angemessenen Debatte, ob man dies generell tolerieren will, und nach der Prüfung, was er damals genau getan hat. Ein wirklich offener Umgang mit der eigenen Biografie, auch Worte des Bedauerns für die Opfer der DDR-Geheimdienstpolizei, wären dafür sicher eine Erleichterung gewesen.
Die Debatte ist längst vorangeschritten. Und gerade deshalb ein Wert an sich – auch wenn sie von der Opposition genüsslich dazu genutzt wird, um Rot-Rot-Grün anzugreifen; auch wenn Rechercheuren reflexhaft eine von der Immobilienwirtschaft gesteuerte Kampagne gegen den Gentrifizierungskritiker vorgeworfen wird. Dabei geht es im Kern um Wichtigeres: Wie muss man in der Gegenwart mit der Vergangenheit umgehen, um eine Zukunft zu haben? Und der Streit um Holm hat sich verschoben hin zur eigentlichen Frage: Wie glaubwürdig ist der neue Staatssekretär?
Wie schwer wiegt eine Falschangabe?
Es geht hier eben nicht um IM- Tarnnamen und die seltsame Ausrede früherer Stasi-Mitarbeiter, sie hätten niemandem geschadet (woher wollen sie das wissen?). Die Öffentlichkeit ist ein gutes Stück vorangekommen, wenn sie jetzt hitzig darüber diskutiert, nach welchen Kriterien man eine Verstrickung in den DDR-Machtapparat heute noch bewerten sollte: Geht es auch als Jugendsünde durch, wenn man sich als Erwachsener an eine angebliche Jugendsünde nicht mehr richtig erinnern kann? Und muss man immer ehrlich gewesen sein, wenn man als künftiger Personalverantwortlicher von seinen Mitarbeitern in der Verwaltung genau das zu verlangen hat?
Die Humboldt-Universität ist von der Politik in die Lage gebracht worden, all das zu bedenken und dennoch eine nüchterne Personalentscheidung anhand der Frage zu treffen, wie schwer eine offensichtliche Falschangabe wiegt. Dabei könnte der Senat all diese Fakten, all unsere Gefühle, diese ganze wichtige Debatte, auch eigenständig bewerten. Andrej Holm selbst sollte dies auch tun – als Politiker auf Probe.
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