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Russlands Präsident Wladimir Putin.
© dpa

Krieg in der Ukraine: Putins zweite Front

Moskau sucht in der Ukraine eine militärische Lösung, russische Truppen kämpfen im Südosten. Dahinter steckt klares geopolitisches Kalkül. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

Ein weiteres Mal haben die Europäer das Verhalten Russlands und seines Präsidenten Wladimir Putin unterschätzt. Bis vor kurzem hoffte und glaubte man auch in Berlin, Putin suche nach einem Ausweg aus dem ukrainischen Konflikt. Spätestens am Donnerstag müssten nun die Gutgläubigen aufgewacht sein: Moskaus Führung sucht eine Lösung mit militärischen Mitteln, russische Truppen kämpfen in der Ukraine, wie Kiew und die Nato berichten.

Einmarsch im Südosten eröffnet zweite Front

Welches Kalkül verfolgt der Kreml mit diesem Krieg? In den vergangenen Wochen hatte die ukrainische Armee im Osten des Landes Gebiete zurückgewonnen, die Separatisten schienen in der Defensive, und die Führung in Kiew war überzeugt, dass ein Sieg gegen die Separatisten möglich sei. Doch plötzlich wendete sich das Blatt – offensichtlich auch durch verstärkte Hilfe aus Russland, mit Waffen, gepanzerten Fahrzeugen und Kämpfern, die keine „Freiwilligen“ waren, sondern Soldaten. Der Vorstoß im Südosten eröffnet nun eine zweite Front.

Eine Landverbindung zur Krim - und weiter

Aber warum konzentriert sich Russland ausgerechnet auf die Stadt Nowoasowsk? Die Region um die Hafenstadt Mariupol hat für Moskau eine strategische Bedeutung. Bei der Annexion der Krim will die russische Führung es offenbar nicht belassen. Ein von Separatisten beherrschter Südkorridor in der Ukraine wäre die Landverbindung, die Russland für die Krim dringend braucht. Und wir sollten uns daran erinnern, dass Putin öffentlich von „Neurussland“ sprach – einer historischen Region, die von der Ostukraine über die Krim bis in die Republik Moldau reichte. Dort, im abtrünnigen Transnistrien, stehen bereits russische „Friedenstruppen“.

EU muss entschlossen reagieren

Nach der langen schleichenden Intervention Russlands in der Ukraine hat der Krieg nun eine neue Dimension erreicht. Es ist kein Zufall, dass sich Putin kurz vor dem EU-Gipfel am Samstag und dem Nato-Treffen kommende Woche zu diesem Schritt entschied. Mit einer entschlossenen Reaktion rechnet er offenbar nicht.

Doch die EU kann es sich nicht leisten, ein weiteres Mal nur Besorgnis zum Ausdruck zu bringen. Viel zu zaghaft und viel zu spät hat sie die bisherigen Sanktionen in Kraft gesetzt. Nun sollten die Europäer eine Antwort finden, die echte Sanktionen einschließt. Andernfalls wäre die Lehre aus dem Ukraine-Konflikt, dass im Europa von heute Kriege geführt und Grenzen nach Belieben verschoben werden können.

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