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Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
© dpa

Kommentar | Brandenburgs Corona-Politik: Ohne Kapitän im Sturm

Die Zahl der Corona-Infektionen steigt in der Mark, auch wegen Fehlentscheidungen der Kenia-Regierung. Nimmt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) endlich die Zügel wieder in die Hand? 

Man hat sich Zeit gelassen bisher, obwohl die Pandemie nach dem trügerischen Sommer nun auch Brandenburg wieder fest in den Griff nimmt. Das Virus breitet sich, wie mit der kälteren Jahreszeit zu erwarten, wieder schneller aus. Nachdem die Kenia-Regierung aus SPD, CDU und Grünen, geführt vom sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke dies ignorierte, der Kapitän abgetaucht schien, soll heute verkündet werden, wie das Land durch den nächsten Corona-Winter kommen soll. Es läuft, so viel ist schon klar, vor allem auf strengere Testpflichten im öffentlichen Leben hinaus, und auf mehr 2G, wie das im Neusprech der Corona-Zeit heißt. So weit, so gut in Brandenburg? 

Dramatischer Impfrückstand

Schön wär’s. Leider ist das Gegenteil der Fall. Zunächst muss man daran erinnern, wie die junge Kenia-Regierung am Anfang der Pandemie 2020 versagte, als in den Pflegeheimen der Mark so viele Bewohner durch das Virus dahingerafft wurden, viele von ihnen noch leben könnten – wenn das Land mit den Impfungen der am meisten gefährdeten Gruppe damals nicht so hoffnungslos hinterhergehinkt wäre. Brandenburg brauchte dafür länger als alle anderen Bundesländer, verantwortlich war Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). 

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Es folgte auf Druck Woidkes eine Zuständigkeitsrochade bei den Corona-Impfungen, erst hin zu Innenminister Michael Stübgen (CDU), dann wegen eines vermeintlichen Waldbrandsommers zurück zu Nonnemacher. Klar ist, dass dies am dramatischen Rückstand Brandenburgs beim wichtigsten Anti-Corona-Instrument nichts änderte: Wie eh und je gehört das Land bei den Schutzimpfungen zu den Schlusslichtern in Deutschland. Die Mark ist auf den nächsten Corona-Winter schon deshalb schlechter vorbereitet als weite Teile der Bundesrepublik.

Bildungsministerin Ernst handelte verantwortungslos

Freilich, Ursula Nonnemacher, die frühere Notärztin, hat ihre Corona-Lektion gelernt. Das kann man von Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) leider nicht sagen. In ihre Zuständigkeit fällt die verantwortungslose Aufhebung der Maskenpflicht an den Grundschulen schon vor den Sommerferien, obwohl gerade dort die Kinder zur Schule gehen, die bisher nicht geimpft werden können. Kein Wunder, dass sich mit den im Herbst absehbar steigenden Corona-Infektionszahlen das Virus dort besonders schnell ausbreiten konnte. Das war vorher klar. Seit den Herbstferien werden deutlich mehr Kinder infiziert, müssen in Quarantäne – und von Eltern betreut werden.

Ernst wollte und will Schulschließungen verhindern. Die von ihr ideologisch betriebene Aufhebung der Maskenpflicht, gegen die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, führt nun in der Praxis für viele Grundschulklassen zum Gegenteil. Die Folgen der Fehlentscheidung der Bildungsministerin erleben und erleiden Familien, Kinder und Eltern in Brandenburg schon jetzt mit jedem Tag mehr. Mehr Quarantänen, weniger Unterricht, mehr Familien im Ausnahmezustand. Trotzdem versucht Ernst weiterhin, Masken an Grundschulen zu blockieren, obwohl es eine Mär ist, dass Kinder nicht auch schwer an Corona erkranken können. Sie werden weniger häufig schwer krank, doch die Langzeitfolgen kennt keiner.

Vom Ministerpräsidenten ist wenig zu hören

Und Dietmar Woidke? Ja, vom erst dritten Ministerpräsidenten Brandenburgs war sehr wenig zu hören in den letzten zwei Wochen. Zwar ist der Vorwurf unbegründet, er lasse seine Vize-MPs Stübgen (CDU) und Nonnemacher (Grüne) schlechte Nachrichten verkünden. Kein Ministerpräsident vorher, weder Manfred Stolpe noch Matthias Platzeck, haben ihren Stellvertretern jemals so große Freiräume gelassen wie es Woidke tut, damit auch die sich profilieren können – und die Regierung stabil bleibt. 

Ein Jörg Schönbohm hätte unter Platzeck von solchen Möglichkeiten geträumt. Trotzdem hat Woidke, von dem selbst zum eruptiven Wechsel an der Spitze der Landtagsfraktion nichts zu hören war, die Zügel zu sehr schleifen lassen. Er hat die Chance, es in der Corona-Politik zu korrigieren. Es könnte so einfach sein, in Brandenburg.

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