Jüdische Gemeinde Berlin: Nur noch im Streit verbunden
Die Jüdische Gemeinde in Berlin wird gebraucht in den gesellschaftlichen Debatten. Sie hat sich aber zunehmend isoliert. Am Sonntag wählte sie ein neues Gemeindeparlament. Eine Analyse.
Am Sonntag haben die rund 9000 stimmberechtigten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ein neues Gemeindeparlament gewählt. Die neuen Parlamentarier wählen dann auch einen neuen Vorstand. Wer gewonnen hat, steht frühestens am Montag fest. Doch so viel ist jetzt schon klar: Die Wahrnehmung der Kontrahenten könnte nicht unterschiedlicher sein. Der amtierende Vorstand sieht die Gemeinde „auf Wachstumskurs“, für die Opposition steht sie „vor dem Zusammenbruch“.
Dass Regierung und Opposition die Dinge oft gegensätzlich bewerten, ist normal. Doch die Aggressivität, mit der die Gegner in der jüdischen Gemeinde aufeinander losgehen, ist bemerkenswert. Vor zwei Jahren kam es während einer Parlamentssitzung sogar zu Handgreiflichkeiten, die polizeiliche Ermittlungen nach sich zogen.
Die Gemeinde ist tief gespalten, sie schrumpft und altert
Die Art der Auseinandersetzung spiegelt die Zerklüftung in der Gemeinde. Verschiedene Herkunft, Mentalitäten und Traditionen von alteingesessenen Berliner Juden und Zugewanderten aus russischsprachigen sowie osteuropäischen Ländern bilden eine Linie, entlang derer die Spaltung verläuft. Eine andere ist die zwischen Jung und Alt.
In den vergangenen vier Jahren hat sich die Kluft weiter vertieft. Der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe und seine Gruppe „Koach“ (Kraft) haben die Gemeinde zunehmend abgeschottet und nicht nur das Gemeindeparlament von Informationen abgeschnitten, sondern auch die Verbindung zur Öffentlichkeit mehr und mehr gekappt. Mit dem Senat, der die Gemeinde jährlich mit über sieben Millionen Euro unterstützt, streitet man sich vor Gericht, statt wie in der Vergangenheit Kompromisse zu suchen. Die Jüdischen Kulturtage, seit vielen Jahren eine Institution in der Stadt, wurden abgesagt. In den Debatten über Flüchtlinge, zunehmenden Antisemitismus, religiöse Beschneidung oder das Verhältnis von Staat und Religion war von der größten jüdischen Gemeinde in Deutschland kaum etwas zu hören.
Etliche einst engagierte Mitglieder haben genug von Streit und Hass und sind ausgetreten. Viele der verbliebenen Mitglieder sind mittlerweile Senioren, die Gemeinde schrumpft und altert. Gideon Joffe und sein Team haben konsequenterweise die Angebote für die Älteren ausgebaut. Doch Aufbruch sieht anders aus.
Junges jüdisches Leben spielt sich zunehmend außerhalb der Gemeinde ab
Dabei gibt es viel junges jüdisches Leben in der Stadt, in den vergangenen fünf Jahren sind auch viele neue Initiativen entstanden – aber zunehmend außerhalb der jüdischen Gemeinde. Tausende Israelis und amerikanische Juden leben hier, darunter viele Studenten und junge Familien. Sie gründen ihre eigenen Gemeinschaften und treffen sich zum Schabbatgottesdienst lieber in Kulturhäusern und Salons statt in den theologisch größtenteils konservativ ausgerichteten Gemeindesynagogen.
Das muss man nicht schlimm finden. Wichtig ist, dass es diese Aufbrüche und Vielfalt überhaupt gibt. Schade ist es trotzdem, dass davon immer weniger unter dem Dach der Gemeinde stattfindet. Denn gerade in Zeiten, in denen antisemitische Ressentiments salonfähig werden und religiöse Positionen zunehmend schwerer zu vermitteln sind, wird eine starke jüdische Interessenvertretung gebraucht. Eine, die den Kontakt zur Gesellschaft sucht, die offen und sprachfähig ist und ihren Radius erweitert, statt sich selbst abzukapseln und kleinzumachen.
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