Das deutsch-amerikanische Verhältnis: Kein Respekt, kein Vertrauen
Die USA fordern immer wieder, Deutschland möge erwachsen werden und mehr Verantwortung übernehmen. Aber wie passt dazu, dass Washington den Verbündeten wie ein dummes Kind behandelt? Ein Kommentar zum jüngsten Spionagefall und möglichen Folgen.
Damit hatten die USA dann wohl doch nicht gerechnet. Die ach so sanften Deutschen setzen dem Repräsentanten ihrer Geheimdienste den Stuhl vor die Tür. Immerhin, die Bundesregierung fordert nur die zeitnahe Ausreise, erklärt ihn (noch) nicht zur „persona non grata“. Es ist ein hör- und sichtbares Signal. Aber es könnte schlimmer kommen.
Nun kann man sich lange streiten, ob und wie Spionage funktioniert und wer wen wann ausspioniert und wer was darf. Doch: In Deutschland gibt es Gesetze. Die sind einzuhalten. Dafür muss auch und gerade die Regierung einstehen. Man kann sicher auch darüber sinnieren, warum diese Dienste Geheimdienste heißen und was daraus abzuleiten ist.
Man kann sich auch wundern, warum jetzt zwei offenbar recht unbedeutende Fischchen im großen Spionenhaibecken eine solche im amerikanisch-deutschen Verhältnis zumindest sehr ungewöhnliche Aktion auslösen. Für ein paar Seiten Papier, die praktisch jeder Abgeordnete offen durch Berlin trägt, so einen Eklat? Sind da etwa der sonst doch übersorgsam agierenden Bundeskanzlerin und praktisch all ihren Ministern mit einem Mal die Emotionen durchgegangen? Wohl kaum.
Nicht das Papier wert
Ist es nicht vielmehr so, dass die Verbündeten zu lange die freundlich-beharrlichen Hinweise aus Berlin meinten in üblicher Manier überhören und übergehen zu können, à la: Wir haben das immer gemacht, wir machen das weiter, basta. So in etwa klangen monatelang die amerikanischen Signale. Da waren extra die Minister Kerry und Hagel Ende Januar vor der Münchner Sicherheitskonferenz in Berlin, um klarzumachen, dass Deutschland den NSA-Skandal nicht so hoch hängen solle und man auf keinen Fall ein No-Spy-Abkommen abschließen werde (das vermutlich eh das Papier nicht wert wäre), und: Ende der Debatte. Schon damals erklärte Innenminister de Maizière in München kühl, dass der Fall so nicht zu erledigen sei, auch wenn Hagel und Kerry dort die NSA nicht erwähnten und statt dessen eine Renaissance der transatlantischen Freundschaft auszurufen suchten. Und so ging es grad weiter. Auch auf den BND-Fall folgten ähnlich ignorante Reaktionen, obwohl öffentliche Äußerungen bis ins höchste deutsche Staatsamt ahnen ließen, dass es da eine rote Linie gibt.
Es kracht vernehmbar
Genau hier liegt der Punkt – egal, ob es um Spionage geht oder etwas anderes. Die USA haben immer wieder gefordert, die Deutschen sollten erwachsen werden, mehr Verantwortung übernehmen. In der internationalen Diplomatie, bei globaler Kriseneindämmung, bei Militärmissionen. Wie passt dazu, die Vertreter dieses Landes wie kleine, dumme Kinder zu behandeln? Sich zu benehmen, als mache man seine Gesetze auch dort selbst. Bei aller Verbundenheit: Respekt und Vertrauen sehen anders aus. Beides ist aber nötig, wenn die Zusammenarbeit so wichtig ist, wie auch Washington immer betont. Dass dort nun manche drohend raunen, die Deutschen seien ohne US-Dienste nichts und ihnen zu gute Kontakte nach Teheran oder Moskau vorwerfen, ist: peinlich. Auch Amerika profitiert davon.
Die USA sind zwar die einzige verbliebene Weltmacht, doch in Afghanistan, in Nahost, der Ukraine und anderswo können und wollen sie nicht mehr so viel leisten wie früher. Deutschland soll mehr übernehmen. Man kann aber nicht die Kanzlerin als politisch wohl mächtigste Frau an seiner Seite wissen wollen und sie dann andererseits verhöhnen. Auch als Signal an andere war eine Antwort überfällig. Dass es nach scheinbar kleinen Fällen nun so vernehmbar kracht, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie.