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Justin Trudeau und seine Frau Sophie feiern in Montreal den Wahlsieg.
© dpa

Wahlsieger in Kanada: Justin Trudeau - selbstbewusst, linksliberal, ur-kanadisch

Der Liberale Trudeau wird Premier. Der kanadische Wahlsieger könnte sein Land wieder deutlicher von den USA abgrenzen.

Vielleicht wollen die Kanadier nach zehn Jahren unter den Konservativen einfach was Neues. Und sicher ärgert sie der niedrige Ölpreis, der ihre Exportwirtschaft lähmt. Zudem entscheiden beim Mehrheitswahlrecht wenige Stimmen – für jeden Wahlkreis darf nur die stärkste Partei ins Nationalparlament. Insofern überrascht nicht, dass Justin Trudeau die Wahl gewonnen hat. Der Liberale beerbt den Konservativen Stephen Harper als Premier.

Mehr Kanada draußen - mehr Kanada drinnen

Doch der Sieg steht für mehr. Kanada, so darf man die Wähler interpretieren, soll kanadischer werden. Angesichts des dominanten Nachbarn im Süden heißt das: weniger US-amerikanisch. Zwar hatten sich auch Barack Obama und Harper wenig zu sagen, schon weil Letzterer seine Truppen am liebsten nur zu Hause gesehen hätte. Trudeau wird dafür sorgen, dass Kanada innenpolitisch wieder mehr von den USA unterscheidet. Höhere Steuern für Reiche, staatliche Investitionen, stärkerer Umweltschutz, mehr Hilfe für die First Nations genannten Ureinwohner. Er will Cannabis legalisieren und hat sich in der Abtreibungsfrage mit den Religiösen angelegt.

Selbstbewusst und volksnah präsentiert sich Trudeau nach dem Wahlsieg und lässt sich in Montreal beglückwünschen.
Selbstbewusst und volksnah präsentiert sich Trudeau nach dem Wahlsieg und lässt sich in Montreal beglückwünschen.
© REUTERS

Trudeau-Familie: liberale Politikerdynastie

Trudeau war Französisch- und Mathematiklehrer, ein Ingenieursstudium brach er ab. Mit seiner Frau Sophie Grégoire hat er drei Kinder. Dem erst 44 Jahre alten Wahlsieger wird ausgeprägtes Selbstbewusstsein nachgesagt, was sich womöglich mit seiner Familie erklären lässt. Schon sein Vater war – mit einer Unterbrechung – zwischen 1968 und 1984 Premier. Und was für einer! Trudeau senior gilt als Legende, die dem Land eine progressive Verfassung samt Multikulturalismus und Mehrsprachigkeit gab. Der Vater hat 1970 den Separatistenaufstand in Québec, der französischsprachigen Provinz, überstanden – und ist den frankofonen Militanten entgegengekommen, ohne die Einheit des mehrheitlich englischsprachigen Staates zu riskieren.

Liberale klauen Linken die Stimmen

Die Trudeaus stammen aus Montreal, wo viele die beiden großen Sprachen des Landes sprechen – und oft eine dritte dazu. Dort sagte Trudeau junior nach der Wahl: „Es ist Zeit für Veränderungen in diesem Land. Ich werde der Premierminister aller Kanadier sein.“ Kaum trösten dürfte das die eigentliche Linke: Die NDP schnitt ungewöhnlich schlecht ab. Hintergrund ist das erwähnte Mehrheitswahlrecht. Um Harpers Abwahl nicht zu gefährden, haben einstige NDP-Wähler ihre Stimme den Liberalen gegeben, damit deren Kandidaten in den Wahlkreisen den Parlamentssitz holten.

Hannes Heine

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