Raumfahrt: Indien und China greifen nach den Sternen
Indien und China investieren viel in ihre Raumfahrtprogramme. Doch brauchen Schwellenländer millionenschwere Raketen? Tatsächlich profitieren die Staaten von diesen Raumflügen. Auch Europa - wenn es denn will.
Da fliegen die Millionen in den Himmel, und unten herrscht weiterhin bitteres Elend. Mit dem Start seiner Marssonde vor einer Woche hat Indien die alte Streitfrage wieder aufgeworfen: Was hat ein Schwellenland, in dem Menschen verhungern, im Weltall zu schaffen? Wären die 54 Millionen Euro nicht besser in der Armutsbekämpfung angelegt, statt sie in die Luft zu schießen?
Tatsächlich dürfte der Erkenntnisgewinn dieses Fluges minimal sein. Die Sonde soll Methan und Wasser aufspüren. Zwei Zutaten, die wichtig sind für Leben – und die bereits von anderen Marsmissionen nachgewiesen wurden. Den Verantwortlichen geht es auch kaum um die Erkundung des Planeten, sonst hätten sie mehr Geld für bessere Instrumente ausgegeben. Das eigentliche Ziel besteht darin, heil am Mars anzukommen. Wenn das gelingt, und danach sieht es trotz zeitweiliger Schwierigkeiten mit der Treibstoffversorgung am Montag aus, wird Indien im Sommer 2014 die vierte Raumfahrtnation sein, die den Mars erreicht. Nach den USA, Russland sowie Europa – und vor dem Konkurrenten China. Aber es geht nicht nur um eine Stichelei in der asiatischen Lokalpolitik. Nach einer erfolgreichen Mondmission vor fünf Jahren würde sich Indien einmal mehr als Kooperationspartner für andere Raumfahrtagenturen empfehlen. Davon würde auch Deutschland profitieren, das bereits mehrere Satelliten von den Indern ins All bringen ließ.
Je ausgefeilter die indische Technik und je ambitionierter die Weltraumforschung dort wird, umso attraktiver ist das Land für deutsche und europäische Projekte in der Wissenschaft. Die werden bisher meist alleine oder mit den USA und Russland angegangen. Doch seit diese beiden Länder, einst Raumfahrtpioniere, mit harten Budgeteinschnitten und einer unzuverlässigen Technik zu kämpfen haben, sind Alternativen sehr willkommen.
Neben Indien empfiehlt sich vor allem China. Das Land gibt für die Raumfahrt ein Vielfaches des indischen Budgets aus. China hat zehn Menschen ins All gebracht und baut gerade eine eigene Raumstation auf. Anfang Dezember will es einen Rover zum Mond schicken und in den nächsten zehn Jahren auch Taikonauten dorthin bringen. In ungewohnt klaren Worten hat die chinesische Raumfahrtbehörde vor Kurzem ausländische Astronauten eingeladen, die Raumstation des Landes zu besuchen.
Der Nasa ist eine Kooperation mit China verboten
Daraus wird so schnell nichts werden. In den USA gibt es strenge Gesetze und Vorschriften, die eine Kooperation mit China in der Raumfahrt praktisch unmöglich machen, was selbst vom Nasa-Chef kritisiert wird. Europa ist ideologisch weniger verbohrt. Deutschland hat 2011 gemeinsam mit China Experimente in der Schwerelosigkeit unternommen und einige europäische Astronauten lernen schon mal Chinesisch. Auf der anderen Seite ist das Land im Osten nach wie vor ein restriktiver Staat, der Menschenrechte missachtet. Die Euphorie der europäischen Weltraumexperten ist mal wieder abgekühlt.
Langfristig wäre ein Rückzug jedoch falsch. Abgesehen davon, dass trotz der bekannten Probleme auf vielen anderen Wirtschaftsfeldern munter zusammengearbeitet wird, würde ein Boykott in der Raumfahrt wohl kaum etwas an der chinesischen Innenpolitik ändern. Tritt Europa hingegen als selbstbewusster Partner auf, kann es mehr Einfluss auf China ausüben (und seine Verhandlungsposition gegenüber der Nasa und der russischen Agentur Roskosmos ebenfalls stärken). Vor allem aber kann Europa als Mittler zwischen dem Reich im Osten und den USA agieren, zumindest in der Raumfahrt. Man erinnere sich an den Kalten Krieg: Damals standen sich Russen und Amerikaner verbiestert gegenüber; heute betreiben sie zusammen mit einigen weiteren Nationen die Internationale Raumstation. Soll diese ihrem Namen weiterhin gerecht werden, müssen ihre Luken auch für Chinesen geöffnet werden.
Indien wird auf absehbare Zeit kein Raumschiff dorthin schicken können, das ist einfach zu teuer. Unbemannte Flüge aber wird es weiter geben. Und das ist gut für das aufstrebende Land, das eine prosperierende Hightechindustrie am Boden und zuverlässige Wetter- und Kommunikationssatelliten am Himmel braucht, wie sich gerade bei dem Sturm „Phailin“ zeigte. Die 54-Millionen-Mission zum Mars wird diese Entwicklung beschleunigen.