Analyse zur Wahl in Schleswig-Holstein: In Kiel sind starke Nerven gefragt
Schleswig-Holstein hat gewählt, und ein klares Bündnis kristallisiert sich vorerst nicht heraus. Eindeutig zu beantworten ist die Frage nach dem großen Verlierer des Abends - für alle anderen wird es jetzt richtig spannend.
Hoffentlich hat Wolfgang Kubicki an diesem Sonntagabend kein allzu enges Hemd an. Denn seine Brust wird von Hochrechnung zu Hochrechnung immer breiter. Die größte Mühe wird er haben, seine diebische Freude nicht allzu offensichtlich vor sich herzutragen. Mangelndes Selbstbewusstsein ist sein Problem nicht. Und an diesem Abend hat er auch allen Grund zum Eigenlob. Denn Kubicki, der Charakterkopf und für viele in der Bundespartei oft genug auch zu sehr Quälgeist der Liberalen, hat letztlich im Alleingang dafür gesorgt, dass die FDP ihr zweitbestes Ergebnis seit Bestehen des Landes erreicht hat.
Er hat sich geschickt inszeniert als konsequenter Macher und vor allem als einer, der mit der liberalen Chaostruppe in Berlin nur das Parteibuch gemein hat - sonst nichts. Für Parteichef Philipp Rösler ist das ein bitterer Sieg, daran ändert auch die Feststellung Kubickis nichts, dass Rösler ja fünf Mal in Schleswig-Holstein gewesen sei. Nur mit Rösler wäre es wohl wieder ein trauriger Abend für die FDP geworden. So reden die Liberalen sogar beim Thema Regierungsbildung ein Wörtchen mit.
Die Wahl in Schleswig-Holstein in Bildern:
Denn ein klares Bündnis kristallisiert sich nicht heraus. Die SPD hat zwar zulegen können, wird aber aller Voraussicht nach ihr Ziel, stärkste Kraft zu werden, nicht erreichen. Spitzenkandidat Torsten Albig ist insgesamt zu blass geblieben. Sein Gegenüber, CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager, war nicht deutlich farbenfroher, aber er hat es etwas besser geschafft, sich als solider Konsenskandidat zu inszenieren. Jetzt kommt es vermutlich auch drauf an, wer die besseren Nerven hat. Denn die Grünen werden alles versuchen, nicht in der Opposition zu landen - nach diesem Ergebnis.
Sie hatten es schwer. Sie mussten ankämpfen gegen einen vermeintlichen Abwärtstrend der Grünen insgesamt, und sie mussten sich gegen die Konkurrenz der Piraten zur Wehr setzen. Jetzt liegen sie klar vor den Piraten, die fast schon erwartungsgemäß im Landtag landen werden, und sie haben Optionen. Die erste ist, mit SPD und Südschleswigschem Wählerverband zusammenzugehen. Beide, SPD und Grünen, kündigen an, ein solches Bündnis zu wollen. Doch der Vorsprung wäre hauchdünn - und mit hauchdünnen Mehrheiten hat die Nord-SPD keine guten Erfahrungen gesammelt; Heide Simonis kann davon ein Lied singen.
Für die Grünen bliebe noch Jamaika - daran hätten vor allem CDU und FDP ein Interesse. Oder eine Ampel - daran hätten die Sozialdemokraten ein Interesse, und vielleicht auch die Liberalen. Es wäre ein Zeichen in Richtung der CDU, ganz nach dem Motto: Schaut her, liebe Union, wir können auch anders. Eine große Koalition wäre die solideste Konstellation - nur die SPD wird das eher als Notausgang sehen, denn da die CDU wohl prozentual knapp vor der SPD landen wird, werden die Christdemokraten Anspruch auf den Posten des Ministerpräsidenten erheben können.
Wer aber ist bei dieser Wahl nun eigentlich der klare Verlierer? Das ist leicht zu beantworten: die Linke. Sie fliegt deutlich aus dem Landtag. Dasselbe Schicksal droht ihr auch in Nordrhein-Westfalen, was den Schluss nahe legt, dass ihre Verankerung im Westen nur von kurzer Dauer war. Und: Die Piraten werden vor allem für die Linke zur größten Gefahr. Vor allem deshalb, weil insbesondere die West-Linke nicht vielmehr zu bieten hat als Protest. Den aber kultivieren zurzeit die Piraten besser.