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Thomas Middelhoff: Vom Top-Manager zum Untersuchungshäftling.
© Reuters

Middelhoff und Maschmeyer: Im Wahn zur Größe

Middelhoff und Maschmeyer schaden der Wirtschaft – dabei brauchen wir Typen wie sie.

Es braucht nur zwei Männer, um den Ruf der deutschen Wirtschaft nachhaltig zu beschädigen: Thomas Middelhoff und Carsten Maschmeyer. Wahnsinn, diese Typen. Auf der anderen Seite: Was wäre das Land ohne sie?

An diesen beiden Stars der Nullerjahre kondensieren sich aktuell alle Vorurteile, die man gemeinhin gegenüber dem Business als solchem pflegt: Profitgier, Rücksichtslosigkeit, Mauschelei. Middelhoff, Ex-Chef von Bertelsmann und dem Karstadt-Mutterkonzern Arcandor, ist seit Freitag verurteilt zu drei Jahren Haft wegen Untreue in 27 Fällen – wenn auch noch nicht rechtskräftig. Tags zuvor drängte Maschmeyer, der Gründer des Finanzdienstleisters AWD, wieder in die Schlagzeilen. Er soll seine Freundschaft zu Kanzler Gerhard Schröder in einer Art aufgebaut und gepflegt haben, dass es zumindest den Anschein erwecken könnte, er tat dies in erster Linie, um den Deutschen mit freundlicher Unterstützung der Bundesregierung massenhaft Versicherungsverträge von zweifelhaftem Nutzen zu vermitteln. Dies dürfte freilich deutlich schwieriger juristisch zu greifen sein.

Beide griffen nach dem großen Geld

Auf den ersten Blick passt alles zusammen: Middelhoff, Maschmeyer, zwei mal M, zwei großgewachsene Mannsbilder, braungebrannt von der Sonne des Mittelmeers und gesegnet mit einem Sinn fürs Statussymbol und einem selbstbewussten Charisma, dem man sich kaum entziehen kann. Beide griffen nach großem Geld. Das genügt schon in Deutschland, um kollektive Antipathie auf sich zu ziehen. Dabei übersieht man schnell die Unterschiede: Middelhoff war de facto Angestellter und somit untreu gegenüber den Eigentümern des Unternehmens, das er betreuen sollte, wie das Gericht sagt. Maschmeyer hingegen war Eigentümer von AWD und handelte womöglich übertreu im Sinne seiner eigenen Firma.

Nüchtern betrachtet verbindet Middelhoff und Maschmeyer kaum mehr als der Umstand, dass sie beide über sehr viel Geld verfügten (beziehungsweise noch verfügen) und wirtschaftliche Entscheidungen von sehr großer Tragweite zu verantworten hatten. Gleichwohl schadet alles, was in diesen Tagen über sie gesagt, geschrieben und gesendet wird, dem Bild des wirtschaftlichen Entscheidungsträgers insgesamt. Middelhoff und Maschmeyer haben – jeder auf seine Art – den Bogen überspannt. Das ist die eigentliche Schande.

Das Land braucht Entscheider mit gesundem Selbstbewusstsein

Denn: Dieses Land bräuchte im Prinzip mehr Typen wie sie, also Entscheider mit gesundem Selbstbewusstsein, gar einem Hang zum Größenwahn. War es etwa vernünftig, wie Middelhoff um die Jahrtausendwende bei Bertelsmann alles von AOL bis RTL zusammenkaufte, um das Unternehmen aus Gütersloh zu einem Medienkonzern von Weltrang zu machen? Nein. Heute aber wird sich dort niemand darüber beschweren.

Weil diese Männer es irgendwann übertrieben haben, sind in Chefetagen heute Anti-Middelhoff-Typen gefragt: Vorstandschefs, die artig ihre Compliance-Richtlinien aufsagen können und dicke Nachhaltigkeitsberichte präsentieren. Spitzenpolitiker, die man privat mit einem Unternehmer antrifft, geraten wegen Männern wie Maschmeyer unter Erklärungsdruck. Es wird dauern, bis Wirtschaftsentscheider sich wieder trauen, öffentlich ganz große Ideen zu vertreten – ihren Wahn zur Größe offen auszuleben.

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