Katja Reimann macht sich locker: Gute Ernährung und Wechselatmung
Besonders praktisch am Yoga ist, dass man eigentlich nichts dafür braucht, streng genommen nicht mal eine Matte.
Yoga funktioniert überall, barfuß, zu Hause, auf der Wiese oder im Studio. Mir gefällt das, es wirkt uneitel. Was leider so wenig wahr ist.
Als ich mich vor Jahren aufs Yoga einließ, ahnte ich wenig von der gewaltigen Industrie dahinter und rundherum. Heute weiß ich: Sie hält Versuchungen bereit, vor denen das reinste Karma nicht schützt. Und es kommt ständig etwas hinzu.
Zwischendurch hatte ich beispielsweise kurz den Überblick verloren, was die neuesten Ernährungstrends betrifft, mittlerweile habe ich zum Paleo aufgeschlossen. Wobei – während ich noch staune – vielleicht ist auch das schon wieder out. Jedenfalls lässt es sich ungefähr mit „Essen wie unsere Vorvorvorvorvorfahren“ beschreiben. Viel Fleisch und Fisch, bitte bio, kein Getreide und auch keine Milchprodukte. Der Name Paleo stammt wohl vom Wort Paläolithikum, was Steinzeit bedeutet.
Was ein Glück, dass es heute Biomärkte gibt. Sie machen die Nahrungsmittelbeschaffung zwar teuer, aber weniger lebensgefährlich als vor rund zweieinhalb Millionen Jahren.
Vor Paleo tranken alle grüne Smoothies. In Gemüseabteilungen traf man Menschen, die höflich fragten, ob das Grün an den Möhren benötigt werde, oder ob man ihnen das vielleicht... klar, bitte! Immer scheint es einen Trend zu geben, der besser zum Yoga passt als der zuvor. Dass ich essenstechnisch noch keinen mitgemacht habe, liegt, Finanzen und Faulheit außen vor, daran, dass ich mich nicht entscheiden kann.
Anfälliger bin ich für den anderen Kram. Klamotten, designt für die perfekte Yogapraxis, schöne Matten aus Naturkautschuk, nachhaltige Kosmetik, bei der sich erst im Nachhinein zeigt, wie wenig nachhaltig sie aus Übersee eingeflogen ist. Aber wenn sie so gut riecht? Nein, ein Yogi ist nicht rational, er folgt dem Herzen.
So kommt es wohl, dass an ziemlich viel festgehalten wird, obwohl es im Yoga doch ums Loslassen geht. Entspannt ist anders. Ständig steht irgendwo geschrieben, wie man ein noch besserer Mensch werden, noch bewusster leben könnte. Kürzlich fand ich ein Bündel von Vorschlägen: Sei umweltbewusst, ernähre dich vegetarisch oder vegan, schätze die Kunst, lebe gesund, pflege deine Freundschaften, sei spirituell, reise, bleib modisch, undsoweiter.
Besonders irritierend las sich einer der alles zusammenfassenden Ratschläge am Ende der Liste: Lebe jeden Tag, als sei es dein letzter. Am letzten Tag meines Lebens ins Yoga- studio? Ins Museum? Ich bezweifle es. Vielleicht bin ich einfach noch nicht so weit. Ich scheitere an Kleinerem. Der richtigen Atmung zum Beispiel. Die ganze Zeit über atme ich, als wäre nichts dabei. Dann, wenn mir einer sagt, wie ich es zu tun habe, macht es mich plötzlich nervös.
Nadi Shodhana etwa, die Wechselatmung. Zum linken Nasenloch rein, zum rechten raus – und anders herum. Zugehalten wird das jeweils nicht aktive Nasenloch mit dem Daumen oder Ringfinger einer Hand. Beim Einatmen zählt man zum Beispiel bis 5, beim Ausatmen bis 10, oder wie lange man sonst schnaufen kann. Fortgeschrittene halten zwischendurch kurz die Luft an.
Mein Problem: Je bewusster ich atme, desto weniger Luft bekomme ich – gefühlt. Ich habe lange mit mir gehadert, mittlerweile vermute ich eine Charakterschwäche. Ein Jammer, denn Nadi Shodhana reinigt die Energiekanäle im Körper, sorgt für Freude und Ausgeglichenheit.
Als ich das neulich mal wieder nicht schaffte, ging ich vom Yogastudio direkt zur nächsten Eisdiele. Ich kaufte drei ziemlich teure Kugeln Bio-Eis mit Sahne. Hätte ja sein können, es wäre der letzte sonnige Tag.
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