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Sein Haus gewinnt an Einfluss: Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU)
© dpa

Innere Sicherheit: Friedrichs Ministerium wird immer mächtiger

Verfassungsschützer, BKA und jetzt die Bundespolizei: Innenminister Friedrich tauscht reihenweise Spitzenleute in den Sicherheitsbehörden aus. Das Innenministerium wird damit so mächtig wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung.

Es rappelt in den Sicherheitsbehörden, so heftig wie selten zuvor. Reihenweise werden Spitzenleute ausgetauscht, die Öffentlichkeit kommt kaum noch mit. Dass jetzt die komplette Führung der Bundespolizei gehen muss, ist vielleicht auch nicht der letzte Schnitt. Zuvor haben bereits die Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie der Thüringer und der sächsischen Landesbehörde aufgegeben. Und der Chef des Bundeskriminalamts soll, offenbar gegen seinen Willen, auch zum Jahresende gehen. Mehr Aufregung und Unruhe ist kaum vorstellbar, und das ausgerechnet in Behörden, die mit ihrer Arbeit zum Schutz des Bürgers schon reichlich Stress ausgesetzt sind. Jede Erschütterung bei einem Nachrichtendienst oder der Polizei könnte, das ist zu befürchten, die Sicherheit des Landes gefährden. Haben Extremisten, Terroristen und andere Kriminelle nun Anlass, sich zu freuen und auf geschwächte Gegner zu hoffen?

Wohl kaum. Der Umbruch ist notwendig und vermutlich die einzige Chance, die Sicherheitsarchitektur stärker gegen Katastrophen wie den NSU-Albtraum zu wappnen. Bei einem genauen Blick auf die Personalwechsel ist auch durchaus eine Strategie zu erkennen. Das Bundesinnenministerium (BMI) gewinnt beträchtlich an Einfluss und stärkt seine Position.

Dieser Prozess hat sogar schon früher begonnen, unabhängig von der Causa NSU. Als im Dezember 2011 der BMI-Abteilungsleiter Gerhard Schindler ins Amt des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes eingeführt wurde, war ein erster Schritt getan. Auch wenn Schindler nun dem Kanzleramt untersteht, so ist doch zu erwarten, dass zumindest die Gefahr von Reibereien zwischen BMI und BND nachlässt. Und die weiteren Personalentscheidungen, Spitzenkräfte aus dem Ministerium mit der Führung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Bundespolizei zu betrauen, zeugen von einer deutlichen Zunahme an Kontrolle durch das Haus von Hans-Peter Friedrich. Die nachgeordneten Behörden büßen an Autonomie ein, das Innenministerium stärkt seine Rolle als zentraler Akteur im Gefüge der Sicherheitsbehörden. Und wird damit so mächtig wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung.

Nun kommen Technokraten aus dem Ministerium

Das sieht aus wie ein beachtliches Versprechen auf mehr Effizienz. Aber es zeigt auch, dass dem Verfassungsschutz und der Bundespolizei nicht zugetraut wird, nur aus eigener Kraft die internen Probleme zu lösen. Nun kommen Technokraten aus dem Ministerium, kompetent und ellbogenstark. Und einige Wechsel werden bar jeder Sentimentalität inszeniert. Der Präsident der Bundespolizei und seine Stellvertreter fühlen sich rüde abserviert, prompt empören sich Gewerkschaften und politische Gegner des Innenministers. Doch vor dem Hintergrund des NSU-Desasters ist es an der Zeit, mehr als nur eine Sicherheitsbehörde auf Schwachstellen hin zu durchleuchten – und dann zu handeln. Das scheint auch im Bund zu funktionieren. Allerdings paradox kommuniziert.

Die Entschlossenheit des Ministeriums wirkt ein wenig gesichtslos. Der Organisator des Umbruchs in den Sicherheitsbehörden ist wohl weniger Friedrich als sein Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche. Der ehemalige Geheimdienstkoordinator und Ex-Vizechef des Bundesamtes für Verfassungsschutz tritt meist leise auf, verfügt aber über einen eisernen Willen. Das Konzept zur Stärkung der Zentralkompetenz des Ministeriums trägt offenkundig seine Handschrift. Friedrich hingegen erscheint zumindest in der Wahrnehmung der Medien wie einer, der in seinem Amt nicht angekommen ist.

Dabei wäre es gerade jetzt, in einer der schwersten Krisen der Sicherheitsbehörden, hilfreich, dass ein Innenminister mit Verve und Herzblut den Neuanfang verkörpert. Es geht ja auch um das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung, die durch den Fall NSU verunsichert ist und mit neuen Namen an der Spitze von Behörden nicht viel anfangen kann. Außerdem muss Friedrich die widerspenstigen Länder überzeugen, effektiver mit dem Bund zu kooperieren und notfalls Kompetenzen abzutreten. Das ginge wohl nur mit mehr Friedrich als jetzt.

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