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Die Verbindungsdaten der Telekommunikation - ein Risiko für die Freiheit der Bürger?
© dpa

SPD und Vorratsdaten: Eisbrecher im Einsatz

Die Vorratsdatenspeicherung ist verhandelbar, hat SPD-Chef Gabriel signalisiert - gegen den Willen von Justizminister Maas. Als Pragmatiker müsste er wissen: sie ist auch überfällig. Ein Kommentar.

Wenn Große sich bewegen, sieht es schnell so aus, als gäbe es große Bewegung. Ein Irrtum möglicherweise. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich scheinbar bewegt. Die Vorratsdatenspeicherung findet er okay, sagt er. Jedenfalls wenn es so läuft, wie die SPD es will. Daran ist jedoch kaum Neues. Die Sozialdemokraten haben einen Parteitagsbeschluss. An ihn in dieser Zeit zu erinnern, zeigt den begabten Volksversteher als einen, der Post-Terror-Sicherheitspolitik so ernst nimmt wie einst Otto Schily. Zugleich deutet er in Richtung Union an, dass weitere Einzelheiten verhandelbar sind. Politik eben. Das meiste ist eine Frage des Preises.

Etwas überraschend wirkt das alles nur, weil Justizminister Heiko Maas das Thema in den ersten Monaten seiner Amtszeit gekonnt auf Eis gelegt hat. Geholfen hat dabei der Europäische Gerichtshof, der die EU-Richtlinie kippte, mit der Kommunikationsdaten – nicht Inhalte – gespeichert werden sollten. Nun auf die EU-Kommission zu warten, die eine neue Richtlinie vorlegen möge, ist unnötig. Bis auf Deutschland speichern die Länder Europas die erwünschten Daten. Man kann es der Kommission also nachsehen, wenn sie anderes derzeit wichtiger findet.

Es bringe nichts, sagt Gabriel, „Hals über Kopf in Deutschland alleine einen neuen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der dann wieder vom Europäischen Gerichtshof kassiert wird“. Nein, das bringt nichts. Es bringt aber etwas, in Ruhe einen Entwurf zu diskutieren, der vor Gericht Bestand hat. Sollten ihn die Zuständigen nicht längst in der einen oder anderen Form in der Schublade haben, hätten sie ihren Job nicht gemacht. Vor „Schnellschüssen“ (Gabriel) oder „Aktionismus“ (SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann) muss niemand warnen. Der Streit geht seit Jahren, alle Argumente sind ausgetauscht. Die „europäische Ebene“, mit der sich abzustimmen Gabriel rät, wird sich auch nur an das Urteil halten, das dazu gesprochen wurde. Einigkeit stiftet Europa immer dann, wenn es als Ausrede benutzt wird.

Dabei geht es darum, eine Bund-Länder-Differenz zu überwinden. Die Länder sind zuständig für Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Überzeugt von den Speicherfristen sind deshalb die Innenminister, mit ihnen Polizisten und Staatsanwälte, während im Bund die Debatte stagniert. Würden die Telekom-Firmen die Daten nicht ohnehin speichern, gäbe es längst ein Gesetz – weil es schlicht notwendig wäre. So speichern sie, ohne dass es restriktive Vorschriften zur Datensicherheit gibt – wie sie das Bundesverfassungsgericht verlangt hat.

Von allem Vorbringen war es das einfältigste, die Vorratsdatenspeicherung habe die Pariser Attentate nicht verhindert. Eine Regelung ist unabhängig davon überfällig. Gabriel müsste pragmatisch genug sein, um das zu wissen.

Jost Müller-Neuhof

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