Gastbeitrag zur Stadtplanung: "Einkaufszentrum statt Leerstand im ICC"
Die West-Berliner waren stets stolz auf das ICC: Konnte doch alle Welt sehen, dass die „Insel der Freiheit“ nicht nur von einer Mauer umringt war, sondern auch Ort für Kongresse bot. Jetzt wird das ICC geschlossen. Stattdessen sollte man ein Einkaufszentrum daraus machen, findet unser Gastautor.
Was ist los mit Berlin? Da wird der Flughafen Tempelhof zugemacht, aber was aus dem Tempelhofer Feld wird, bleibt offen. Da wird der „Palast der Republik“ abgerissen, aber an seiner Stelle soll nicht das Berliner Stadtschloss wiedererstehen, sondern nur etwas Ähnliches: das „Humboldtforum“. Da wird das traditionsreiche „Schillertheater“ dichtgemacht, aber die dazugehörige Immobilie versinkt zeitweise im Dornröschenschlaf und wird ab und an als Ausweichquartier für andere Bühnen genutzt. Da soll ein Flughafen Schönefeld gebaut werden, ganz neu – „BER“ auf der grünen Wiese – und nicht als Erweiterung des bestehenden. Dann funktioniert er jedoch nicht. Und da wird ein Wahrzeichen West-Berlins, das ICC, dichtgemacht, aber keiner weiß, wie es weitergehen soll.
"Die Insel der Freiheit"
Es ist ein immer wiederkehrender Aktionismus, der unendlich viel Steuergeld kostet. Was war das zum Beispiel für eine Kraftanstrengung mit dem ICC! Berlins Bausenator Harry Ristock boxte es durch. Groß stand es schließlich da mit der „Ecbatane“ davor. Die Insulaner waren stolz auf das Bauwerk: Konnte doch alle Welt sehen, dass die „Insel der Freiheit“ nicht nur von einer Mauer umringt war, sondern auch Ort für Kongresse bot. Außerdem: Modern bauen konnte man hier auch. Das ICC wurde ein Stück Berlin. Nach der Wiedervereinigung erinnerte es daran, dass es die Einheit des Landes vielleicht gar nicht gegeben hätte ohne die Vitalität des einstigen West-Berlins.
Wie stolz waren die Berliner, als sie merkten, sie konnten mit Frankfurt, Köln, Düsseldorf oder München konkurrieren. Fachkongresse, Bundesparteitage und Konzernversammlungen kamen an die Spree. Doch dann betraten die Betriebswirte und Bedenkenträger die Berliner Bühne. Sie entdeckten Asbest im ICC und errechneten Kosten der Messegesellschaft für das von ihr gemietete Zentrum. Ganz vorsichtig tröpfelten sie Begriffe wie „Abriss“ und „Schließung“ in die Öffentlichkeit. Die „Ecbatane“ war da schon klammheimlich abgebaut.
"Abreißen", sagen einige
Nun treten alle auf den Plan: Architekten, Betreiber von Einkaufsmärkten, das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, die Medien, der Senat von Berlin. Ein Haus steht leer, und das Palaver beginnt. „Abreißen!“, sagen einige. Das sei zu teuer, wird dagegengehalten. „Und eine Brache am Funkturm – wie sieht das denn aus?“, geben Stadtplaner zu bedenken. Der Senat hätte am liebsten eine Anschlussnutzung, weiß aber nicht exakt, welche. Immerhin winkt er mit einigen Millionen Euro. „Ein Einkaufszentrum geht gar nicht!“, wenden die Bezirkspolitiker ein. Sie fragen bange – beim „Bikini“-Haus taten sie es nicht –, was ein Einkaufszentrum für die Geschäfte in der Westfälischen, der Wilmersdorfer oder der Kantstraße bedeuten könnte. Denkmalschutz fordern sie stattdessen – also Leerstand.
Verkehrsgünstig gelegen - mit Autobahn und ÖPNV
Was spricht eigentlich gegen ein Einkaufszentrum? Das ist schließlich kein Charlottenburger, sondern mindestens ein Berliner Thema. Der Standort liegt verkehrsgünstig. Die Autobahn, S- und U-Bahn und öffentliche Busse führen dorthin. Der Busbahnhof bringt, seitdem Fernbusse fahren, neue Kundschaft aus ganz Deutschland. Könnte es sein, dass so ein Zentrum die ganze Stadt mobilisiert? Warum redet der Bezirk eigentlich noch mit? Er hat das ICC nicht gebaut, ist auch nicht dessen Eigentümer und hat nie eine Messe betrieben.
Der Senat sollte sich vom Bezirk und diversen Rechthabern nicht bremsen lassen. Er hat eine Bringeschuld, weil er das ICC geschlossen hat, ohne zugleich eine Anschlusslösung zu präsentieren. Jetzt gibt es eine Perspektive: das Einkaufs- und Geschäftszentrum. Es bleibt zu hoffen, dass die Landesregierung beim ICC endlich einmal eine Chance nutzt.
Nach der BER-Pleite, dem Tempelhof-Flop und der kulturpolitischen Blamage als „Schiller-Killer“ stände es dem Senat gut an, einmal inhaltlich etwas zu bewegen und zugleich stadtplanerisch bewahrend zu wirken. Womöglich käme dabei sogar etwas heraus, was in Berlin schon lange vermisst wird: wirtschaftlicher Erfolg.
Der Autor ist Politikwissenschaftler und Politiker (FDP). Er lehrte bis 2009 als Professor an der Universität Potsdam mit dem Schwerpunkt Parteienforschung.