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Viele Ärzte, aber schlecht verteilt - in Berlin ändert sich das langsam.
© dpa

Bundessozialgericht bestätigt Senat und Kassenärzte: Eingriff in die Niederlassungsfreiheit - aus guten Gründen

Die von Mario Czaja (CDU) durchgesetzte Bedarfsplanung der Praxen ist nun vom Bundessozialgericht bestätigt worden. Die Kassenärzte tun gut an diesem Stück Sozialpolitik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Heine

Eingreifen, die Dinge nicht sich selbst überlassen. Das ist Politik – und sollte gerade im Gesundheitswesen gar nicht anders gedacht werden. Befand auch Mario Czaja von der CDU. Der Berliner Gesundheitssenator hatte sich deshalb 2013 mit den Praxisärzten angelegt. Er forderte von der Spitze der Kassenärztlichen Vereinigung, die als stolze Standesvertretung auftritt, mehr Sozialpolitik zu wagen. Die für die Verteilung der Praxen zuständigen Kassenärzte legten fest: Praxen aus gut situierten Kiezen dürfen nur noch in Bezirke umziehen, in denen Ärzte fehlen, weil die Bewohner dort ärmer und kränker sind. Fast 160 Ärzte haben sich in den vergangenen zwei Jahren in Kiezen niedergelassen, in denen viele von ihnen keine Praxis eröffnet hätten – mehr Neukölln, weniger Steglitz.

Eingriff in die Niederlassungsfreiheit - aus guten Gründen

Noch in den 90ern wurde der Bedarf schon mal nach Bezirken geplant. Doch der neue Eingriff in die Niederlassungsfreiheit, quasi der Zwang, in ungemütlichen Vierteln zu residieren, passte nicht jedem Arzt: Einige klagten dagegen. Nun hat das Bundessozialgericht die Vorschrift als zulässig bestätigt. Dabei hatte Senator Czaja nur wenig Möglichkeiten gehabt, die Kassenärzte wirklich zu zwingen. Mediziner verwalten sich seit Bestehen der Bundesrepublik selbst. Die Politik darf, so sieht es das Gesetz vor, der Zunft nur in Ausnahmefällen hineinregieren. Doch Czaja hat so viel öffentlichen Druck erzeugt – auch das ist Politik! – dass die Kassenärzte das mit dem Eingreifen selbst umsetzen. Und so gilt nicht zum ersten Mal: Ausgerechnet derjenige, dessen Partei für Markt und Unternehmertum steht, hat Markt und Unternehmertum klare Grenzen gesetzt.

Unter Rot-Rot hat es nicht geklappt

Damit hat er aktiver Sozialpolitik betrieben als der rot-rote Vorgängersenat. Es ist nicht so, als hätte die Linke es damals nicht versucht. Doch erst Czaja, sozusagen der Bürgerliche, kam bei den Ärzten damit durch. Einzelnen Medizinern wird die Vorschrift weiter als unsinnig erscheinen. Und tatsächlich werden sich einige Praxisverlegungen als überflüssig erweisen, schon weil sich die Not in der Stadt kaum an Bezirksgrenzen orientiert. Langfristig aber wird es heißen: Das Urteil des Bundessozialgerichts hat eine vernünftige Sozialpolitik bestätigt. Endlich.

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