Schlecker und die Liberalen: Eine Sternstunde der Politikverdrossenheit
Mit Ordnungspolitik oder gar Gerechtigkeit gegen kleine Handwerksbetriebe, denen niemand hilft, hat der Fall Schlecker überhaupt nichts zu tun. Alles, worum es dabei geht, sind fünf Prozent für die FDP.
Wenn nicht das Leben von gut 10 000 Familien quer durchs Land betroffen wäre: Man könnte das Ende dieser Woche sarkastisch als Sternstunde der Politikverdrossenheit bezeichnen. Wer glaubt schon, dass auch nur eine der Frauen, die bei Schlecker gearbeitet haben, jemals wieder ein Wahllokal betritt? Denn so viel steht wohl fest: Stünden nicht Anfang Mai zwei Landtagswahlen auf dem Kalender und dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler das Wasser bis zum Hals, hätten die Frauen von Schlecker das Osterfest als Mitarbeiterinnen einer Transfergesellschaft verlebt und sich in Ruhe um Qualifikation und neue Jobs kümmern können. Die meisten von ihnen sind älter als 40, nicht selten alleinstehend, alleinerziehend. Stattdessen liegt in ihrem Osterkörbchen das Kündigungsschreiben. Mit blau-gelben Wünschen des Vizekanzlers versehen, der sie auch noch militärisch-preußisch mahnt, sich rasch nach „Anschlussverwendung“ umzusehen. Damit sie den Sozialkassen nicht zu lange auf der Tasche liegen.
Nun sollte man nicht glauben, dass staatliche Auffanggesellschaften à la Schlecker zwangsläufig zum Pflichtprogramm des Modells „Soziale Marktwirtschaft“ gehören müssen. Zumal heute, wo die Bundesagentur für Arbeit längst keine verbeamtete Verwahranstalt, sondern flexibler Dienstleister für die Suche nach neuer Arbeit ist. Doch Politik ist eben mehr als sture Ökonomie. Sie muss mit Empathie auf gesellschaftliche Entwicklungen eingehen können, will sie Vertrauen in ihre Legitimität schaffen. Und das Kommando Schlecker, auch das steht fest, markiert in dieser Beziehung einen Tiefpunkt – für die unionsgeführten Landesregierungen, die den schwarzen Peter bei ihren liberalen Koalitionspartnern abladen; für die Kanzlerin, die aus Angst um dessen Überleben ihren Stellvertreter nicht in die Schranken weisen will; auf jeden Fall aber für Philipp Rösler, dessen „mitfühlender Liberalismus“ und dessen Mahnung an seine Partei, mehr „soziale Sensibilität“ zu zeigen, mit einem Schlag an ihr Ende gekommen ist. Mit Ordnungspolitik oder gar Gerechtigkeit gegen kleine Handwerksbetriebe, denen niemand hilft, hat der Fall Schlecker überhaupt nichts zu tun. Alles, worum es dabei geht, sind fünf Prozent für die FDP.
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