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Die Schlussworte sind gesprochen, das Duell ist vorbei. Doch wer hat gewonnen?
© dpa

Nach dem TV-Duell: Die zwei Sieger Merkel und Steinbrück

Sie lullt uns ein? Er überfordert? Die Befürworter beider Lager können "Nein" rufen. Und haben beide recht. Das Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück kennt keine Verlierer. Brisant war nur eines: der Blick von Angela Merkel.

Ach, diese Zahlen. Ob er oder sie gewonnen hat – wer das fragt, hat schon verloren. Wie die Moderatoren, außer Stefan Raab. Denn eines war so klar wie nie zuvor: Beide, Angela Merkel und Peer Steinbrück, sind politisch so unterschiedlich, wie es nur geht, so dass das innenpolitisch Brisanteste an diesem TV-Duell war, wie die Kanzlerin dem Kandidaten die Tür zu einer großen Koalition nach dem Wahltag in drei Wochen öffnete. Und ihr Blick dabei!

Überhaupt, wie sie Steinbrück anschaute, das war mindestens: interessiert. Es hatte ja auch was, ihn argumentieren zu hören, besser: kämpfen zu sehen. Zahlen, Daten, Fakten, Zusammenhänge – der Kandidat war so gut, wie er nur sein kann. Das ist Steinbrücks Stärke, die Faktizität. Er ist im Stoff, hat sich alles „draufgepackt“, wie es sich vor einer großen Prüfung gehört. Was allerdings zu einer latenten Aggressivität führte. Insgesamt trocken, schnell, hart, zwischendurch dieser angelsächsisch-nordische „Punch-Line“-Humor, wenn den mal außerhalb Norddeutschlands auch einer versteht … Außerdem ein bisschen kauzig, aber nicht unsympathisch. Einer, der fordert, auf allen Ebenen.

Und Merkel: Auch gut, in ihrer Art, besser als in den Jahren zuvor, weil sie weiß, was sie nicht kann. Kein offener Schlagabtausch, den (rhetorischen) Gegner ins Leere laufen lassen, kaum auf ihn eingehen, eher nicht auf ihn antworten, am besten überhaupt vorsichtig sein, nicht unfreundlich werden, das Gegenüber trotzdem damit in den Senkel stellen. Wenn es nicht ein Widerspruch in sich wäre: Sie verkörpert die lethargische Variante von Aggressivität. Selber ruhig bleiben, weil das immer souveräner und sympathischer wirkt. Wer kein politischer Junkie ist, kein manischer Faktenchecker, der ist’s in jedem Fall zufrieden, der braucht keinen Beweis, was jetzt nun stimmt.

Sie lullt uns ein? Er überfordert? Nein, können ihre Befürworter sagen, sie hat ihre Art, die Dinge zu sehen und zu sagen, „Mutti“ hat’s im Griff und passt auf uns auf. Nein, können seine Befürworter sagen, Deutschland braucht die „Peerspitze“, einen, der die Dinge beschreibt, dass es auch mal weh tut, der was tut, damit es morgen noch so aussieht, wie es heute zu sein scheint. Und das Faszinierende nach diesen mehr als 90 Minuten ist: Irgendwie haben alle recht.

Und irgendwie passen die beiden genau damit auch gut zusammen. Sie redet vier Minuten länger als er, er war dafür acht Minuten präsenter. Sie kann mäandern, was in internationalen Spitzengremien in schwierigen Situationen nicht schlecht ist, weil es die Anwesenden außer ihr ermüdet; er kann zuschnappen, wenn es darauf ankommt, schneller sein als die anderen, im Kopf und in der Rede.

Ja, Deutschland muss sich verändern. Ja, es kann nicht bleiben, wie es ist, das Steuersystem nicht, die Mietenentwicklung nicht, die Pflege, die Rente, alles muss angepasst, verändert werden, die Liste ist lang. Die Union weiß es, sie will nur nicht vorher groß darüber reden, sondern es beim Regieren erledigen; da entspricht Merkel voll und ganz dem Programm. Die SPD will alles, alles bis ins Kleine hinein bereden und weiß doch, dass sich manches beim Regieren erledigen wird. Na ja, wenn Koalition Kompromiss ist, dann …

Dann lässt sich auch sagen, dass die beiden je für sich gewonnen haben, eben weil sie so völlig unterschiedlich sind, und zusammen womöglich etliche Unentschiedene davon überzeugt haben, sich doch noch einmal zu interessieren und zur Wahl zu gehen. Das wäre ihr Sieg.

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