TV-Duell: Der Faktencheck
Beim TV-Duell zwischen Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) geht es um viel Stilistik, um die Art des Auftritts. Vor allem aber geht es um Argumente und Fakten. Und die überprüfen wir hier - fortlaufend.
- Steinbrück: "Wir wissen nicht, ob europäische Einrichtungen abgehört wurden."
Doch, das weiß man. Vor einer Sondersitzung des Innenausschusses vor wenigen Wochen wurde bestätigt, dass in europäischen Einrichtungen in Brüssel Wanzen gefunden wurden. Allerdings ist unklar, wer diese dort angebracht hat. Insgesamt hat Steinbrück den Vorwurf aufrecht gehalten, dass die Affäre nicht aufgeklärt sei. Den Vorwurf aber, dass Angela Merkel ihren Amtseid missbraucht habe, wollte er so nicht wiederholen.
- "Auf deutschem Boden wird deutsches Recht eingehalten“, sagte Merkel in Bezug auf den amerikanischen Geheimdienst NSA.
Kanzleramtsminister Ronald Pofalla hat die Affäre im Prinzip für beendet erklärt. Vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium erklärte er, dass schriftliche Versicherungen der Briten und der USA vorlägen und demnach gäbe es keine "millionenfache Grudnrechtsverletzung". Tatsächlich versichern die Amerikaner in dem Schreiben, dass die NSA nichts unternehme, "um deutsche Interessen zu schädigen“. Aber was sind deutsche Interessen und was ist deutsches Recht. Merkel betonte zudem, dass Deutschland Antworten bekommen habe von den Amerikanern. Allerdings warten sowohl Bundesinnenministerium als auch Justizministerium noch immer auf die Beantwortung ihrer Fragekataloge. Es war die Rede davon, dass allein in Deutschland monatlich 500 Millionen Telekommunikationsdaten abgeschöpft würden vom amerikanischen Geheimdienst NSA. Laut Pofalla stammen diese aber aus der Auslandsaufklärung des Bundesnachrichtendienstes und eben nicht von deutschen Bundesbürger.
- Steinbrück wirft Merkel vor, bei der Pflege nichts getan zu haben, sie kontert: Haben wir doch. Was nun?
Die Koalition hat eine Regelung auf den Weg gebracht, mit der seit diesem Jahr die Leistungen für Demenzkranke verbessert worden sind. Danach erhalten Demenzkranke, die bislang in keiner Pflegestufe waren, erstmals ein Pflegegeld. Die eigentliche Reform, die Schwarz-Gelb sich vorgenommen und im Koalitionsvertrag versprochen hatte, ist allerdings liegen geblieben: Die "neue, differenziertere Definition der Pflegebedürftigkeit" - die Großreform, welche die meisten Fachleute seit Jahren einfordern - wurde nicht auf den Weg gebracht. Und das, obwohl eine Expertenkommission schon gegen Ende der großen Koalition Vorschläge unterbreitet hatte.
- Steinbrück: Lohnuntergrenze der CDU hinterlässt einen Flickenteppich.
Die Union verspricht in ihrem Wahlprogramm, eine Lohnuntergrenze einzuführen. Die unterscheidet sich deutlich von dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, den die SPD einführen will. So soll es nach dem Willen der Union eine von einer Kommission festgelegte Lohnuntergrenze nur für die Branchen geben, in denen es bisher noch keine Mindestlöhne gibt. Die Höhe der Lohnuntergrenze soll außerdem nach Regionen Branchen oder bestimmten Arbeitnehmergruppen differenziert werden können. Eine einheitliche Grenze nach unten gäbe es damit nicht: In Branchen mit schwachen Gewerkschaften könnte es dann Mindestlöhne geben, die unter dem Niveau der Lohnuntergrenze liegen. Bei einem gesetzlichen Mindestlohn wäre das hingegen nicht der Fall.
- Steinbrück zur Rente mit 67:
Steinbrück verweist darauf, dass die SPD grundsätzlich an der Rente mit 67 festhält. Auf ihrem Parteitag im Dezember 2011 haben die Sozialdemokraten beschlossen, die Einführung der Rente mit 67 solange auszusetzen, bis die Hälfte der 60-bis 64-jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Diese Werte sind derzeit noch nicht erreicht, aber die Zahl der Arbeitenden in dieser Altersgruppe steigt in den letzten Jahren deutlich, wie auch Steinbrück im Duell richtigerweise sagt. Doch danach weicht der SPD-Kanzlerkandidat von der SPD-Linie ab: Vielleicht käme man eines Tages zu einer Flexibilisierung des Renteneintrittsalters, sagt Steinbrück. Für ein flexibles Renteneintrittsalters tritt derzeit vor allem die FDP ein.
- Merkel sieht die öffentliche Haushalte konsolidiert.
Tatsächlich steigen die Steuereinnahmen, die Neuverschuldung geht zurück. Aber sie ist nicht verschwunden. Im Haushaltsjahr 2013 ist die Nettokreditaufnahme jüngst (durch die Fluthilfen) von 17,1 Milliarden Euro auf nunmehr 25,1 Milliarden Euro gestiegen. Fakt ist auch, dass die Steuerlast für Schulden gesunken ist, auch das führt zu einer Verringerung der Ausgabenseite.
- Steinbrück verlangt mehr Ehrlichkeit bei der Griechenland-Rettung. Gab es keine Hinweise auf ein drittes Griechenland-Hilfspaket?
Ja, die gab es. Schäuble wies im Februar 2012 darauf hin, dass weitere Hilfen nicht mit Sicherheit auszuschließen seien. Auch in einem Brief an Abgeordnete wies er darauf hin, dass sich der Bundestag möglicherweise nochmal mit Finanzhilfen für Griechenland beschäftigen muss.
- Steinbrück will Steuern für Vermögende erhöhen, Merkel warnt, dass dies Arbeitsplätze kosten wird.
Richtig und falsch kann man da nicht sagen. Natürlich erhöhen hohe Unternehmenssteuersätze nicht die Attraktivität eines Standortes, aber Deutschland liegt derzeit im europäischen Mittelfeld - das zumindest behauptet die Gewerkschaft Verdi. "Die tatsächliche Steuerbelastung von Unternehmer- und Kapitaleinkommen liegt in Deutschland mit gut 20 Prozent mehrere Punkte unter dem EU-Durchschnitt", heißt es bei der Gewerkschaft. Anderen sind die Steuersätze aber zu hoch. Wobei: Von Steuersenkungen spricht derzeit selbst die FDP nicht mehr.
- Steinbrück: "Eine PKW-Maut für Ausländer allein ist rechtlich nicht möglich."
Das, so sehen es auch Rechtsexperten, stimmt. Denn das EU-Recht verbietet hier eine Ungleichbehandlung von Ausländern und Inländern. Merkel hat das Kapitel aber deutlich zugeschlagen. "Mit mir wird es keine PKW-Maut geben."
- Merkel zur Altersarmut: "Deshalb haben wir die Antwort"
In ihrem Koalitionsvertrag hatte die schwarz-gelbe Koalition fest versprochen, etwas gegen die drohende steigende Altersarmut zu tun - dafür sollte auch eine Expertenkommission eingerichtet werden. Doch sie konnte sich nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen: Mit ihrem Plan für eine Lebensleistungsrente stieß Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht nur auf Widerstand beim Koalitionspartner FDP, sondern auch in den eigenen Reihen. Monatelang wurde verhandelt - doch am Ende gab es noch nicht einmal einen Minimalkompromiss: Weder für kleine Selbstständige wurde die Alterssicherung verbessert, noch für diejenigen, denen wegen unsteter Erwerbsbiographien oder niedriger Löhne Altersarmut droht. Im Wahlprogramm der Union taucht das Versprechen jetzt wieder auf: Wer 40 Jahre lang rentenversichert war und privat vorgesorgt hat, soll danach im Alter mindestens 850 Euro Rente erhalten.
- Merkel: "Durch Leiharbeit sind viele Menschen in Beschäftigung gekommen."
Das stimmt nicht. Auch der frühere SPD-Kanzler Gerhard Schröder hatte darauf gehofft, dass Arbeitslose durch Zeitarbeit wieder einen regulären Job finden und liberalisierte deswegen mit den Hartz-Gesetzen die Zeitarbeit. Doch der erhoffte "Klebeeffekt" blieb aus, wie Untersuchungen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarktforschung zeigen. Danach wurden nur sieben Prozent der Leiharbeiter in einen Job übernommen. Allerdings blieben laut der Untersuchung immerhin weitere 26 Prozent der früher Arbeitslosen in der Zeitarbeit und behielten zumindest diese Arbeit.
- Merkel wirbt damit, dass vier Millionen Menschen von Branchenmindestlöhnen profitieren.
Von den zwölf Branchenmindestlöhnen in Deutschland profitieren derzeit rund vier Millionen Menschen, das stimmt. Allerdings sind die nicht alle in Merkels Kanzlerschaft (oder den letzten vier Jahren unter Schwarz-Gelb) eingeführt worden. Einen Mindestlohn im Bau gibt es schon seit 1997, also zu Helmut Kohls Zeiten. Unter der schwarz-gelben Koalition hat die Zahl der Branchenmindestlöhne allerdings zugenommen - so wurde ein solcher etwa für die Zeitarbeit eingeführt. Dass diese Branchen Mindestlöhne haben, ist allerdings vor allem auf den früheren sozialdemokratischen Arbeitsminister Franz Müntefering zurückzuführen. Weil in der großen Koalition wegen des Widerstands der Union ein genereller Mindestlohn nicht durchsetzbar war, setzte er darauf, möglichst viele Branchen ins Entsendegesetz aufzunehmen. Gewerkschaften und Arbeitgeber gerieten stärker unter Druck, sich gemeinsam auf Mindestlöhne zu verständigen. Da es aber eine Weile dauerte, die erforderlichen Tarifverträge abzuschließen, wurden einige Mindestlöhne erst unter Schwarz-Gelb eingeführt.
- Merkel: "Wir werden jedem jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen."
Das ist nur die halbe Wahrheit. Betriebe aus manchen Branchen und Regionen haben inzwischen zwar Probleme, Azubis zu finden. Das liegt an der demographischen Entwicklung. Doch auch wenn 2012 die Zahl der unbesetzten Berufsausbildungsstellen über der der unversorgten Bewerber lag (und dieser Trend zeichnet sich auch für dieses Jahr ab), so heißt das nicht, dass alle Jugendlichen einen Ausbildungsplatz bekommen. Es gibt seit Jahren eine große Zahl von Bewerbern, denen der Übergang von der Schule in die Ausbildung nicht gelingt und die deshalb erst einmal in irgendwelchen Warteschleifen landen.
Merkel: So viel sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie noch nie in Deutschland.
Das stimmt. Die gute wirtschaftliche Entwicklung hat die Beschäftigung im Jahr 2011 auf einen Rekordwert steigen lassen. Im Jahresschnitt waren laut Statistischem Bundesamt 41,04 Millionen Menschen erwerbstätig, so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung.