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Demonstration vor dem Bundestag in Berlin im Februar
© F. Boillot/ imago

Streit um Abtreibungsparagraf 219a: Die SPD hat nichts gelernt

Die Union pflegt beim Thema Abtreibung die konservative Marke. Die SPD gibt ihre Haltung zum Abtreibungsparagrafen 219a dagegen Stück um Stück auf. Ein Kommentar.

Das ist weder ein gutes Zeichen für die dritte Auflage der Groko noch eins für die viel beschworene Erneuerung der SPD: Um den Abtreibungsparagrafen 219a fährt die Partei nun schon seit Monaten Schlangenlinien. Erst stellte man sich, neben Grünen und Linken, demonstrativ an die Seite der Gießener Ärztin Kristina Hänel, die wegen angeblicher Werbung für Abtreibung im November 2017 zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, sogar ein Gesetzentwurf zur Abschaffung des Paragrafen wurde formuliert.

Der wurde dann aber nicht eingebracht, die SPD kündigte noch Ende Februar im Bundestagsplenum an, man setze auf eine Gewissensentscheidung, bei der Stimmen aus dem Regierungslager und der Opposition sich addieren könnten. Eine gute Woche später speiste die Fraktion ihren Antrag dann doch ein - nur um ihn jetzt erneut zurückzuziehen, einen Tag vor dem Amtsantritt der Koalitionsregierung. Fraktionschefin Andrea Nahles will darin kein Einknicken sehen. Man wähle nur das in Regierungen übliche Verfahren, die Union gehe inzwischen auf die SPD zu.

Konservatismus kostenlos

Fragt sich nur, wie weit. Dass die Bewegung der Union substantiell sein wird, dafür war ihr Widerstand bisher sehr hartleibig. Und dies in einer Frage, die sich selbst mit wenig gutem Willen lösen ließe: Es würde genügen, das Verbot des "Anpreisens" von Schwangerschaftsabbrüchen im Gesetz zu belassen und "anbieten", was derzeit auch mit Strafe belegt ist, zu streichen. Damit wären Ärztinnen und Ärzte nicht mehr in Gefahr, wenn sie offen, auf ihren Websites, bekannt geben, dass sie eine legale medizinische Leistung erbringen. Und Frauen könnten sich an jenes Fachpersonal wenden, an das sie schließlich verwiesen sind, wenn sie ihrerseits die Schwangerschaft legal beenden wollen.

Aber in Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks hat's der gesunde Menschenverstand gegen das Volksempfinden zusehends schwer. Da reden die Befürworterinnen des Paragrafen in CDU und CSU, die AfD an ihrer Seite, weiter vom "Werbeverbot", obwohl es um schlichte Information geht, und man sowieso fragen darf, wie Werbung für Abtreibung eigentlich funktionieren soll. Und haben dabei ein Feld (wieder-) entdeckt, auf dem sich ohne hohe Kosten konservativ sein lässt. Den Preis zahlen ja nur ein paar Frauen. Und Politik für die ist gerade so was von nicht Zeitgeist.

Einknicken schon vor der Koalition

Was die SPD angeht, ist ihr Schlingerkurs genauso deprimierend wie die Rechtfertigung dafür: Wie schon beim Thema Familiennachzug verschanzt sie sich hinter Rücksichten auf eine Regierungskoalition, die es erst jetzt überhaupt gibt. Ein halbes Jahr war Zeit, den Paragrafen 219a zu kippen. Die nötige Mehrheit im neuen Bundestag war da, außer Union und AfD wollten das alle Fraktionen.

Ist es Zufall, dass das Zögern und Lavieren wieder einem Stück Freiheit und Gleichheit gilt? Um dann doch einmal über Werbung zu sprechen: Beides gehört zum sozialdemokratischen Markenkern wie eine Portion Konservatismus zum christdemokratischen. Während aber die einen die Marke pflegen, was immer man davon halten mag, scheuen die andern selbst bei geringem Risiko zurück. Aus dem verheerenden Ergebnis am 24. September haben auch Martin Schulz' Erben nichts gelernt.

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