Weltgipfel in Rio: Die Rettung muss warten
Die heutigen politischen Schwergewichte heißen Indien, Brasilien und China. Europa muss sich etwas einfallen lassen. Denn beim Umweltschutz bewegen sich diese Giganten nur in eine Richtung, die ihnen auch gefällt.
Europa ist auf internationaler Ebene zum Zwerg geschrumpft. Das ist eines der Ergebnisse des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung Rio+20 in Brasilien. Die USA finden bei Konferenzen der Vereinten Nationen schon seit Jahren kaum noch statt. Obwohl sie immer weniger zu melden haben, halten sich die USA aber weiter für den Nabel der Welt. Dabei ist der weiter in den Süden gerutscht. Die neuen politischen Schwergewichte heißen China, Indien und Brasilien, das vor Kraft kaum noch laufen kann. Im Hochgefühl einer prosperierenden Wirtschaft, beachtlicher Leistungen bei der Bekämpfung der Armut und der Aussicht auf die Fußballweltmeisterschaft 2014 sowie die Olympischen Spiele 2016 sind dem Gastgeber sogar seine Manieren abhandengekommen: Selten ist ein Gipfel so rüde geleitet worden.
Seit dem Erdgipfel in Rio 1992 hat sich die Weltwirtschaft verdoppelt. Gleichzeitig haben sich die Umweltkrisen zu zwei globalen Notfällen entwickelt: Der Klimawandel ist nicht mehr aufzuhalten, und die Fischbestände der Meere stehen kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch. Das Wachstum fand überwiegend in den Schwellenländern statt. Und mit der wirtschaftlichen Macht verschiebt sich nun auch die politische Macht. Das Gastgeberland Brasilien wollte Rio+20 als Geburtstagsparty feiern. Präsidentin Dilma Roussef hatte keinerlei Interesse daran, dass der Gipfel anspruchsvolle Ziele vereinbart. Unter nachhaltiger Entwicklung versteht sie wirtschaftliches Wachstum.
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Auf diesem Weltgipfel wollte nur die Europäische Union etwas erreichen. Sie wollte eine umweltfreundliche Wirtschaftsweise (Green Economy) als Lösung empfehlen. Und sie wollte das lächerlich schwach gehaltene Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) so stärken, dass es Länder sinnvoll unterstützen kann. Sie hat eine leichte Stärkung von Unep durchsetzen können, weil auch den 54 Staaten der Afrikanischen Union etwas daran lag – und China sich deshalb nicht querstellen wollte. Die Green Economy dagegen wird lediglich als „ein möglicher Weg“ zu einer nachhaltigen Entwicklung gesehen. Sollte die EU international mal wieder etwas durchsetzen wollen, wird sie mehr Ehrgeiz in die Vorbereitung investieren müssen. Wenn Europa mit einer unerfahrenen Ratspräsidentin, einem eher konfliktscheuen Umweltkommissar und zwei Neu-Umweltministern aus den größten Staaten Frankreich und Deutschland anrückt, kann es seine Interessen nicht mehr durchsetzen.
Der Rio-Gipfel hat aber auch noch etwas anderes gezeigt. Auch den Nichtregierungsorganisationen setzt die Globalisierung zu. In den Schwellenländern entstehen Bewegungen mit höchst eigenen Ausprägungen. Wie sonst wäre die Forderung nach einem „Welttag des Generalstreiks“ ins Abschlussdokument des Gegengipfels gerutscht? Die Zivilgesellschaft hat es nicht leichter als die Regierungen, zu gehaltvollen Einigungen zu kommen. Das Abschlussdokument des Volkskongresses, der im Flamengo-Park in Rios Altstadt stattfand, ist ähnlich verquast und ähnlich inhaltsleer wie das Gipfeldokument, das 40 Kilometer weiter verabschiedet worden ist. Ein Aktivist meinte, wenn ein Gipfel so irrelevant geworden sei wie Rio+20, dann könne sich die Zivilgesellschaft daran auch nicht abarbeiten. Es ist aber auch wahr, dass die Gipfeldokumente der UN nur dann klare Beschlüsse enthalten, wenn die Zivilgesellschaft einig und stark genug ist, um überzeugende Forderungen zu stellen. In Rio haben beide Seiten angesichts der dramatischen globalen Probleme versagt.
Dagmar Dehmer
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