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Zukunft ungewiss. Bei den Protesten gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien äußern vor allem die jungen Leute ihren Unmut über den krisenbelasteten Arbeitsmarkt.
© dpa

Jugendarbeitslosigkeit in Europa: Die Pflicht der Politik

Mit sechs Milliarden Euro soll nun gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpft werden. Der Hauptzweck dieser Summe zielt weniger auf die Empfänger als auf die Absender selbst.

Nehmen wir eine große Stadt in Europa. Im vergangenen Jahr mussten in dieser Stadt rund 40 000 Jugendliche mit einem Ausbildungsplatz versorgt werden. Es gab aber in den Betrieben nur Lehrstellen für ein Drittel der 40 000, weil die Wirtschaft der Stadt schwach ist und es zu wenige Unternehmen gibt, die ausbilden. Also sprang die Politik ein. Ein Drittel der Jugendlichen wurde mit Finanzmitteln des Staates in diversen Programmen untergebracht und ein weiteres Drittel mit Geld der Stadt selbst in verschiedenen schulischen Maßnahmen versorgt. Ohne die Hilfe der Politik wären also zwei Drittel der Jugendlichen auf der Straße geblieben. Zwei Drittel, das entspricht ungefähr der Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland.

Die beschriebene Stadt liegt aber nicht in Griechenland – es ist Berlin. In Berlin und in Ostdeutschland insgesamt hätten wir eine fürchterlich hohe Arbeitslosigkeit, wenn der Staat sich nicht um die jungen Leute kümmerte. Und das geht so seit vielen Jahren. Wir leisten uns das ganz selbstverständlich und geben jedes Jahr Milliarden dafür aus, weil uns die Jugend das wert ist. Selbstverständlich sollte das in der Wertegemeinschaft der Europäischen Union auch so sein. Ist es aber nicht. Vielleicht deshalb, weil Jugendliche nicht so viel Schaden anrichten können wie Banken. Oder weil sie keine Lobby haben.

Nun also sechs Milliarden Euro. Sigmar Gabriel wäre ein schlechter Wahlkämpfer, wenn er bei der Gelegenheit nicht auf 1,2 Billionen Euro hinweisen würde, die an öffentlichen Geldern für die Rettung der Banken ausgegeben wurden. Aber immerhin sechs Milliarden. Das Geld hilft ein bisschen, weil es – auch nach dem Vorbild in Deutschland erprobter Instrumente – dazu beitragen wird, dass den Jugendlichen ein Angebot gemacht werden kann: bestenfalls ein bezahlter Job, aber eben auch Praktika oder Weiterbildungsmaßnahmen. Die Gefahr purer Beschäftigungstherapie, wie wir es einst im ostdeutschen Massengeschäft der ABM hatten, ist indes groß.

Der Hauptzweck der sechs Milliarden zielt auch weniger auf die Empfänger als auf die Absender selbst. Die Krisenpolitiker der EU suggerieren Tatkraft und kaufen sich so ein bisschen Ruhe für die Sommerferien und die Vorwahlzeit in Deutschland. In Wirklichkeit setzen sie die Stümperei der vergangenen Monate und Jahre fort. Es gab unzählige Krisengipfel, doch nur die Europäische Zentralbank hat für Ruhe an den Märkten gesorgt. Die Rezession dagegen ist in vielen Ländern so tief und die Arbeitslosigkeit so hoch, dass es schlicht keine Stellen gibt. Auch nicht für die Jungen.

Hierzulande läuft die Wirtschaft noch einigermaßen, weil die Chinesen in den vergangenen Jahren reichlich Maschinen und Autos aus Deutschland gekauft und damit die Schwäche der Nachbarländer kompensiert haben. Das wird nicht so bleiben. Wir brauchen Wachstum auch in Europa – mit staatlichen Impulsen für die Konjunktur, damit die Folgen der Strukturreformen erträglich bleiben und die Menschen Licht sehen. Und wie finanzieren wir das? Natürlich auch mit Steuererhöhungen in Deutschland. Die Wohlhabenden können sich das locker leisten. Deshalb ist das Steuerkonzept der Grünen auch gerecht und ökonomisch sinnvoll. Anders als die Politik der Angela Merkel, die Tatenlosigkeit als Staatskunst verkaufen will. Sozialausgaben und Löhne runter, Wettbewerbsfähigkeit der Firmen rauf, und alles wird gut? Für Europa und die 5,6 Millionen arbeitslosen jungen Europäer ist das zu wenig.

Alfons Frese

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