Krise auf der Krim: Die Deutschen sind Putins willige Helfer
Die deutsche Atomangst ist Putins Lebenselixier, die Energiewende eine sprudelnde Einnahmequelle des russischen Staatshaushalts. Deshalb sind die deutschen Reaktionen auf die Drohung mit einer Militärintervention überaus zahm und verständnisvoll.
Auf höchstem Niveau werden die Hände gerungen: Das fasst in etwa die deutsche Reaktion auf die von Russland angedrohte Militärintervention in der Ukraine zusammen. Mehr ist auch nicht zu erwarten, denn ärger noch, als die Folgen der Droge am eigenen Leib zu spüren, ist es für den Junkie, durch sein Verhalten den Dealer zu verprellen. Der Dealer heißt in diesem Fall Wladimir Putin, seine Droge ist das Erdgas, und der Junkie sind wir, die Deutschen.
Zunächst ein kleines Rätsel. Von wem stammen diese Sätze: „Erdgas verdient die volle Anerkennung der Energiepolitik. Denn Erdgas ist nicht nur umweltfreundlich, sondern eignet sich auch als ein flexibles Sicherheitsnetz zum Ausgleich für erneuerbare Energien. (…) Würde man Kohlestrom durch Gas ersetzen, verringerte sich der CO-2-Ausstoß sofort um 50 bis 60 Prozent. Erinnern wir uns: Vor Fukushima war der Klimaschutz das höchste Ziel in Deutschland und in der EU. (…) Wir brauchen neue, saubere Gaskraftwerke statt alter, schmutziger Kohle, um eine stabile, umweltgerechte Stromversorgung zu sichern.“
Na, wer war’s? Sigmar Gabriel vielleicht, der neue Energieminister? Auch der schimpfte ja kürzlich in Brüssel: „Es ist heute preiswerter, ein altes Braunkohlekraftwerk laufen zu lassen als ein modernes Gaskraftwerk.“ Oder der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der ebenfalls für den zügigen Bau neuer Gaskraftwerke in Deutschland wirbt, um die „Herausforderungen der Energiewende“ zu meistern? Oder der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, für den „hocheffiziente Erdgaskraftwerke derzeit die einzige akzeptable fossile Brücke zu den erneuerbaren Energien“ sind?
Nein, diesmal war’s ein anderer – Vyacheslaw Krupenkow, der Hauptgeschäftsführer der Gazprom Germania GmbH. „Als einer der wichtigsten Erdgaslieferanten unterstützt Gazprom die Energiewende mit besten Kräften“, sagt er weiter. „Deutschland ist traditionell unser wichtigster Partner und größter ausländischer Abnehmer. Jährlich liefern wir rund 34 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Deutschland, das sind rund 40 Prozent der deutschen Erdgasimporte.“
Unmissverständlich lässt sich aus Krupenkows Worten die diabolische Freude Putins über die deutsche Atomangst und den deutschen Atomausstieg heraushören. Schließlich hat keiner davon stärker profitiert als eben die Russen, ihr Präsident und Gazprom. Die Einnahmen aus den Energielieferungen sind die Stütze der russischen Wirtschaft. Unser Gas-Hunger finanziert das russische Militär.
Vielen Dank auch, Gerhard Schröder!
Und dieser Trend verstärkt sich noch. In den vergangenen 20 Jahren sind die Gas-Importe aus Russland um mehr als 50 Prozent gestiegen. Zwischen 2020 und 2025, wenn das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet wurde, sollen 45 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Weil Kohle zwar billig, aber immens dreckig ist, wird Erdgas eine Schlüsselrolle bei der Energieversorgung einnehmen. Wenn Gaskraftwerke ganzjährig im Vollbetrieb sind, könnten sie theoretisch rund 50 Prozent des Strombedarfs decken. Laut einer Studie von ExxonMobil, der größten Förderfirma in Deutschland, wird Erdgas in knapp 20 Jahren der wichtigste Energieträger zwischen Konstanz und Kiel sein.
Das Gros davon wird freilich importiert werden müssen – und zwar vornehmlich aus Russland, das seit Inbetriebnahme der Direktpipeline („Nord Stream“) seine Lieferkapazitäten noch einmal deutlich erhöht hat. Vielen Dank auch, Gerhard Schröder!
Die deutsche Atomangst ist Putins Lebenselixier. Sie mästet seine Kriegskasse und erlaubt es ihm, mit seinen Muskeln nicht nur zu spielen. Die Ukrainer kennen die Energie-Abhängigkeit. Die Deutschen auch. Bloß im Unterschied zu jenen ducken diese sich lieber weg. Ein Junkie, der aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit ausbricht? Nicht bei uns. In wenigen Tagen jährt sich zum dritten Mal das Atomunglück von Fukushima.
Malte Lehming