TV-Duell zwischen Sigmar Gabriel und Marietta Slomka: Der SPD-Chef in der Steinbrück-Falle
Ungeduld tut selten gut, jedenfalls nicht in aller Öffentlichkeit. Das spürt nun SPD-Chef Sigmar Gabriel, der sich mit ZDF-Moderatorin Marietta Slomka ein heftiges Wortgefecht lieferte. Gabriel wird damit bei der Mehrzahl der Frauen dasselbe wie Steinbrück ausgelöst haben, nicht ganz Aversion, aber Misstrauen.
Das kann noch mal ein legendäres Interview werden, das mit Sigmar Gabriel im ZDF. Denn der SPD-Vorsitzende hat in seiner Art geantwortet – und jeder kann sich jetzt ein Bild machen.
So ist er, das bekommen wir. Mit dem, mit ihm bekommt es Angela Merkel (wieder) zu tun. Sie kennt ihn ja schon aus der anderen großen Koalition, als er „ihr“ Amt innehatte, das des Umweltministers. Offenkundig hat es ihrem Verhältnis nicht geschadet, im Gegenteil, es hat eines begründet. Wie gut es ist, davon konnten sich auch alle ein Bild machen, spätestens, als sie, Gabriel und Horst Seehofer den Koalitionsvertrag vorlegten.
Das einverständige Gegluckse der drei war dann doch auffällig, auch auffällig anders als 2009. Zumal diese drei eindeutig „tariffähig“ sind, um es mal so auszudrücken. Sie kennen sich aus in den Details auch der schwierigsten Innenpolitik, ohne in irgendeinen Vertrag schauen zu müssen. Sie kennen ihr Handwerkszeug, sie haben ihre Lehren hinter sich. Oder doch nicht?
Macho-Attitüden kommen nur einer zugute
Gabriel ist wachen Verstands, schnell in der Auffassungsgabe, aber darum auch schnell ungeduldig. Nennen wir es die „Steinbrück-Falle“: Gabriel erklärt, er erklärt sich damit auch, und damit muss es gut sein. Wehe, wenn nicht. Das Wehe bezieht sich aber eben nicht nur aufs Gegenüber, sondern auch auf ihn selbst. Ungeduld tut selten gut, jedenfalls nicht in aller Öffentlichkeit; dann wirkt sie als Überheblichkeit. Noch dazu, wenn sie als Mann- Frau-Ding daherkommt.
Gabriel wird deshalb bei der Mehrzahl der Frauen dasselbe wie Steinbrück ausgelöst haben, nicht ganz Aversion, aber Misstrauen. Was hochpolitisch ist: Macho-Attitüden kommen am Ende nur einer zugute – Merkel. Das konnte bei deren Fernsehduell mit Steinbrück auch jeder sehen. Nun weiß Gabriel das alles.
Bisher war es so: Von 100 Befragten fanden ihn 50 Prozent supertoll, 50 Prozent superblöd. Auch deswegen ist er ja nicht Kanzlerkandidat geworden. Er hätte immer gegen seine eigenen Umfragewerte ankämpfen müssen, und hätte die SPD dann verloren, hätte sie immer gesagt: seinetwegen, weil er Kanzler werden wollte. Jetzt aber, wo er seine Partei nach der Niederlage in schwieriger Lage „glänzend führt“, wie nicht nur Steinbrück urteilt – da muss er wachsen, muss er an politischer Statur gewinnen, wenn er noch mehr werden will.
Das Rauf und Runter des Sigmar Gabriel
Und Hannelore Kraft, ausgerechnet sie, macht ihm ja gerade den Weg frei. Allerdings hat sich da soeben noch etwas aufgeblättert, er selbst hat es getan: Gabriel ist deswegen so, so authentisch er in aller Öffentlichkeit, mit der ganzen Palette von verschmitzt über ironisch bis autoritativ und autoritär, weil er freier ist denn je. Er versteckt sich nicht und nichts von sich. Gabriel ist einer, der schon mehrmals gefallen und wieder aufgestanden ist, rauf und runter, doch eine Konstante gab es immer: Nie hat er sich was gefallen lassen. Zwischen den Ab- und Aufstiegen, hat Gabriel gemerkt, dass er die (große) Politik und die persönliche Macht nicht so sehr braucht, wie er gedacht hat. Ja, er hat Machtanspruch, das liegt in seinem Wesen, wenn er einmal ein Amt hat. Aber er ist – nicht mehr – abhängig davon.
Anderes zählt und erzählt viel über ihn: Keine Zeit, keine Zeit, da wird doch jetzt gerade Deutschland gemacht – aber um seiner Frau in Goslar zum Geburtstag zu gratulieren, für 50 Minuten mit ihr, fährt er hin. Mittendrin. Das ist es, was Merkel in ihm sieht. Und sie weiß, was geschieht, wenn Deutschland ihn mal anders sieht.
Stephan-Andreas Casdorff