iPhone 4S: Der Golf von Apple
Die Präsentation des neuen iPhone 4S war vor allem eines: eine Enttäuschung. Ein paar kosmetische Eingriffe mehr nicht. Aber genau das ist die neue Strategie von Tim Cook und die verfolgen auch andere große Unternehmen - mit Erfolg.
Mit der richtigen Software kann es hören, es ist schneller, hat eine verbesserte Grafik und einen stärkeren Akku. Man soll sogar damit telefonieren können – vor allem darin ist das neue iPhone 4S seinem Vorgänger ohne S überlegen. Immer wieder klagten Besitzer des edlen Smartphones über Empfangsprobleme, Apple selbst räumte ein, dass die Antennentechnik in dem Gerät nicht optimal sei.
Trotz verbesserter Übertragung – die Klagen verstummen nicht am Tag nach der Präsentation des iPhone-4-Nachfolgers. In den Augen vieler Kritiker hat dieser mindestens zwei Fehler. Das Gerät hat keine Fünf im Namen und es sieht aus wie ein iPhone 4.
Keine Frage, dass die Präsentation durch Tim Cook am Dienstagabend eine Enttäuschung war. Doch auf der anderen Seite waren die Erwartungen auch sehr hoch. Wie es Apples Tradition ist, gab es vorab keine Info, welche neuen Produkte der kalifornische Konzern vorstellen würde. Dass der eher nüchterne Cook als Firmenchef keinen so charismatischen Auftritt hinlegen würde wie der schwer erkrankte Apple-Gründer Steve Jobs, war absehbar.
Nach dem Wechsel an der Konzernspitze testet Cook eine neue Strategie. Der technische Vorsprung im Smartphone-Markt, mit dem sich Apple lange Zeit die Konkurrenz aus Fernost vom Hals hielt, ist spätestens dahin, seit das Galaxy SII von Samsung in Tests besser als das iPhone 4 abschnitt. Nun muss Apple aufpassen, dass es nicht auch noch den Status als Marktführer verliert. Im zweiten Quartal setzte Apple 20,3 Millionen Smartphones ab, Samsung 19,6 Millionen. Im eben zu Ende gegangenen dritten Quartal sollten die Koreaner die Amerikaner überholt haben.
Als Hersteller ausschließlich im Premium-Segment wird Apple den Wettbewerb um Zahlen verlieren. Genau dahin zielt Cook mit seiner Präsentation des 4S, mit der er gleichzeitig eine neue Preisstruktur einführt. Das Gerät rangiert im oberen Segment, während das ebenfalls technisch hochwertige 4er preislich in die obere Mittelklasse wechselt. Das 3GS, die letzte Variante des in die Jahre gekommenen iPhone 3 taugt immer noch als Einstiegsmodell, für diejenigen, die nicht den neuesten Schnickschnack brauchen.
Mit dieser Strategie stellt der Konzern seine Produktpalette auf eine breitere Basis und erhöht die Zahl der möglichen Kunden enorm. Das ganze geschieht mit einem vergleichsweise geringen Aufwand. Dabei bedient sich Cook einer Idee, mit der beispielsweise der Autokonzern Volkswagen großen Erfolg hat. Das neueste Golf-Modell ist äußerlich kaum vom Vorgänger zu unterscheiden und auch die technische Basis ist dieselbe. Lediglich dort, wo das alte Modell Schwächen hatte, wurde nachgebessert, die Ausstattung modernisiert, die Materialien veredelt.
Auf dieser Idee basiert die gesamte Strategie von Volkswagen. Nahezu baugleiche Autos werden von verschiedenen Marken mit qualitativ unterschiedlichen Materialien in allen Preissegmenten angeboten. Größtmöglicher Ertrag bei kleinstmöglichem Aufwand. Fraglich, ob diese Strategie bei Apple aufgeht. Einen Golf kaufen die Leute, obwohl er langweilig aussieht. Ein iPhone wurde immer gekauft, damit man trotz Golf nicht langweilig aussieht.