Vorstellung iPhone 4S: "Sorry, heute kein iPhone 5"
Stattdessen präsentiert Apple-Chef Cook neben dem iPhone 4S, einer schnelleren Version seines Vorgängers, das sprachgesteuerte Assistenzsystem Siri. Verkaufsstart in Deutschland ist der 14. Oktober.
Es war nicht das erste Mal, dass Tim Cook den erkrankten Steve Jobs vertreten hat, „aber die erste Produktvorstellung seit meiner Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden“, wie Cook am Dienstagabend sagte. 15 Monate nach der Vorstellung des iPhone 4 hatte Apple in den Firmensitz nach Cupertino gebeten, „Let’s talk iPhone“ stand auf der Einladung. Doch in einem Punkt enttäuschte Steve Jobs Nachfolger die Apple Fangemeinde: „Sorry Leute, heute kein iPhone 5“, sagte er zum Schluss der Präsentation. Stattdessen stellte das US-Unternehmen das iPhone 4S vor, eine Weiterentwicklung des aktuellen Smartphones,von Apple, das am 14. Oktober auch in Deutschland in den Handel kommt. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand dieses Mal jedoch nicht die Hardware, sondern ein Stück Software: das sprachgesteuerte Assistenzsystem Siri.
Die Gewichte auf dem Smartphone- Markt haben sich dramatisch verschoben – zu Lasten von Apple. Vor einem Jahr lagen die beiden wichtigsten Konkurrenten nach Angaben der Gartner-Group noch ungefähr gleichauf: Apple kam auf einen Marktanteil von 14,1 Prozent, das Android-System von Google auf 17,2 Prozent. Zwar konnte Apple seinen Marktanteil leicht auf 18,2 Prozent steigern. Allerdings liegt der Marktanteil der Android-Geräte inzwischen bei 43,4 Prozent und ist somit mehr als doppelt so hoch.
Das neue iPhone 4S sieht äußerlich genauso aus wie der Vorgänger, im Innern haben die Ingenieure jedoch zahlreiche Veränderungen vorgenommen. Der neue A5-Chip soll doppelt so schnell arbeiten wie der Vorgängerprozessor, der neue Zweikern-Grafikchip beschleunigt die Bildschirmausgabe Apple zufolge sogar um das Neunfache. Dennoch hat sich die Batterielaufzeit nicht verschlechtert. Bei Gesprächen über das 3G-Netz hält das iPhone 4S acht Stunden durch, Internet-Surfen mit Highspeed schafft es sechs Stunden lang. Als Musikplayer hält das iPhone 4S sogar 40 Stunden. Zu den weiteren Neuerungen gehört die Acht-Megapixel-Kamera, die Videos nun auch in voller High-Definition-Auflösung aufnimmt. Vor allem aber wurde das Antennendesign runderneuert. Das iPhone 4S verfügt nun über eine Doppelantenne, die zu einer besseren Sprachqualität führen soll, aber auch die Datenübertragungsrate verdoppelt.
Mehr jedoch als diese technischen Weiterentwicklungen beeindruckte die Präsentation des Assistenzsystems Siri. Über eine Sprachsteuerung verfügen zwar auch Android-Smartphones, das Besondere an der Apple-Technik ist jedoch, wie weit Siri in der Lage ist, auf einfach formulierte Alltagsfragen Auskunft zu geben. So gab das System auf die Frage nach dem Wetter für die nächsten Stunden nicht nur die entsprechenden Daten aus, sondern beantworte selbst die Frage, ob ein Regenmantel angebracht ist. Ferner kann mit der Aufforderung „Zeig mir den Weg nach…“ die Kartenanwendung gestartet werden, um die Route darzustellen. Mit Siri lassen sich freie Termine feststellen und belegen, man kann sich Botschaften vorlesen lassen oder Mitteilungen diktieren und an einen bestimmten Adressaten senden. Siri reagiert auf Fragen in Englisch, Französisch und Deutsch. Auf Wunsch sucht das Assistenzsystem ebenfalls rein sprachgesteuert Wikipedia-Einträge oder Daten aus der Suchmaschine Wolfram Alpha.
Dass sich Stephen Elop ausgerechnet diesen Tag dafür aussuchte, eine Sensation zu verkünden, zeugt von Ungeschicklichkeit in PR-Dingen – oder doch von enorm großem Selbstbewusstsein? Jedenfalls muss der Chef des Handybauers Nokia fürchten, dass die Technikwelt ab heute nur über das noch flachere, noch schnellere iPhone 5 von Apple spricht – und nicht über den Umstand, dass der finnische Konzern, immerhin einst Fast-Monopolist auf dem Handymarkt, noch vor Weihnachten gleich mehrere Smartphones mit Microsoft-Betriebssystem auf den Markt bringen will. Auch Microsoft schien einst uneinholbar vorne.
Lesen Sie auf Seite zwei, wie sich der Aktienverlauf von Apple nach der Präsentation veränderte.
Im Handygeschäft tummeln sich neben Nokia und Microsoft auch Google, Samsung, LG, HTC und eben der Apple-Konzern, der unlängst den Ölkonzern ExxonMobile als weltweit wertvollstes Unternehmen überhaupt abgelöst hat – gemessen am Börsenwert. Jedes Quartal streicht Apple mehrere Milliarden Dollar Gewinn ein. Wichtigster Umsatz- und Gewinnbringer ist das iPhone. Von der ersten Version verkaufte Apple im ersten Quartal 2007 rund 270 000 Stück. Vom bisher jüngsten Modell, dem iPhone 4, waren es im dritten Quartal 2011 mehr als 20 Millionen. Am Dienstag, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe ab 19 Uhr, wollte Apple das iPhone 5 in der Zentrale im kalifornischen Cupertino vorstellen. Erstmals sollte die Präsentation nicht der kranke Firmengründer Steve Jobs übernehmen, sondern Tim Cook, der neue Chef.
Rund 15 Monate, länger als sonst, hat Apple diesmal gebraucht, um das neue iPhone und das dazugehörige Betriebssystem iOS5 fertigzustellen. Der Text auf der Apple-Einladung „Let’s talk iPhone– „lasst uns über das iPhone reden“ –“ hatte Spekulationen angefacht, Apple könnte eine verbesserte Spracherkennung starten. Dass der Online-Kurznachrichtendienst Twitter tief in das neue Betriebssystem iOS5 eingebunden wird, war bereits bekannt. Hartnäckig hielten sich auch Gerüchte, Apple und Facebook hätten ihre Differenzen beigelegt und das weltgrößte Online-Netzwerk könnte seine iPad-App starten und in iOS5 einen Direktzugang bekommen, was angesichts der Marktmacht von Apple und der Verbreitung von Facebook noch Datenschützer beschäftigen dürfte. Wie Cook bereits bei der Vorstellung des jüngsten Mac-Betriebssystems mitgeteilt hatte, setzt Apple zunehmend auf die Vernetzung seiner Geräte. Besitzer sollen ihre Daten künftig nicht mehr mit ihrem Rechner per Kabel verbinden müssen, um Musik, Fotos oder Dokumente zu synchronisieren. Alle Daten sollen auf einem externen Rechner wie auf einer Wolke – die bei Apple iCoud heißt – gespeichert werden. Schießt man mit dem iPhone ein Foto, ist es Sekunden später auf dem heimischen Rechner oder einem anderen Gerät mit Apples iOS-5-Betriebssystem verfügbar.
Hard- und Software verschmelzen immer mehr zu einem durchgestylten Gesamtprodukt, bei dem man leicht vergessen könnte, dass es von Menschenhand gefertigt wird. Die Arbeitsrechtsorganisation Sacom aus Hongkong nutzte den Trubel um das iPhone 5 am Dienstag, um auf die Arbeitsbedingungen bei Apples wichtigstem Zulieferer Foxconn aufmerksam zu machen, dem größten Elektronikhersteller der Welt. Bereits bei der Vorstellung des letzten iPhones hieß es, dass sich mehrere Arbeiter des taiwanesischen Unternehmens wegen der Bedingungen in Werken auf dem chinesischen Festland das Leben genommen haben. Foxconn hatte infolge dieser Suizidwelle die Löhne einiger Mitarbeiter um bis zu 70 Prozent erhöht.
Diesmal berichtete die Organisation aus dem neuen Foxconn-Werk in der Stadt Zhengzhou, wo für Apple produziert wird. Die Rede ist von gebrochenen Lohnzusagen und unbezahlten Überstunden. Arbeiter aus der Metallverarbeitung müssten dort zudem ohne ausreichende Schutzkleidung schuften, viele würden über Kopfschmerzen und Hautausschläge klagen. Apple habe aus den in den vergangenen Jahren bekannt gewordenen Problemen und Zwischenfällen nichts gelernt, hieß es gestern als Reaktion bei der deutschen Umwelt- und Sozialrechtsinitiative Germanwatch.
Es scheint aber unwahrscheinlich, dass derartige Vorwürfe die Kauflust der Kunden nachhaltig dämpfen können. Mit dem Start des neuen iPhones startet auch eine riesige Werbewelle, die Apple übrigens nicht allein finanzieren muss. Bisher ist den Kaliforniern gelungen, die Kosten dafür weitgehend auf Händler, meist Mobilfunkprovider, abzuwälzen – in Deutschland auf T-Mobile. Über den US-Markt berichtete das „Wall Street Journal“, dass nun auch Sprint, der drittgrößte Mobilfunkanbieter des Landes, teilexklusiver Vertriebspartner für das iPhone werden soll. Im Gegenzug muss Sprint Apple 30,5 Millionen Handys in den kommenden Jahren abkaufen. Dass Sprint selbst alles unternehmen wird, um diese an den Kunden zu bringen, versteht sich von selbst. In den USA wird das iPhone 4S mit 16 Gigabyte Speicher und Mobilfunkvertrag für 199 Dollar am 14. Oktober in den Handel kommen. Mit 32 Gigabyte wird es 299 Dollar und mit 64 Gigabyte 399 Dollar kosten. Das Vorgängerhandy iPhone 4 mit acht Gigabyte soll dann für 99 Dollar zu haben sein. Die Preise für Deutschland sind noch nicht bekannt. Die Vorbestellung beginnt am 7. Oktober.
An der Börse konnte Tim Cooks erste Präsentation als Firmenchef nicht überzeugen. Der Kurs der Aktie gab im Anschluss deutlich nach.