Lance Armstrong: Der Gipfel aller Dopingskandale
Lance Armstrong verliert auf einen Schlag alle Tour-Titel. Es ist das Ende eines spektakulären Dopingskandals. Für den Radsport fangen die schweren Zeiten aber gerade erst an.
Auf dem Gipfeln der Welt war er oft allein, einsam wirkte er dabei nicht. Lance Armstrong hat den Krebs besiegt und ist danach als einziger Radrennfahrer der Welt auf jedem noch so hohen Berg am schnellsten durchs Ziel gerauscht. Er ist in die Geschichte eingegangen mit seinen sieben Siegen bei der Tour de France, hat Konkurrenten am Anstieg gedemütigt wie den an sich selbst leidenden Jan Ullrich, hat das Feld hinter sich beherrscht wie ein Speichen-Napoleon, großzügig gesponsort von Weltfirmen und hartnäckig abgeschirmt von einer geheimen Helferarmee. Kritiker landeten gerne mal im Straßengraben.
Nun haben sie ihn von seinem auf Lügen errichteten Sockel gestoßen, nun ist der Unantastbare doch ein einsamer Mann, der im Geschichtsbuch als König des Dopings geführt wird. Lance Armstrong verliert seine Titel wegen erwiesenen Betrugs – seine Helfer wurden unter Druck zu Kronzeugen gegen ihn. Der Radsport-Weltverabnd UCI, der sein Idol zu lange schützte und die Ermittlungen der US-Dopingjäger bis zum Schluss zu torpedieren versuchte, muss nun ein Jahrzehnt aus den Annalen löschen.
Denn Armstrong war nur der Kopf eines Sports, der ohne Doping nicht mehr funktionierte, ja, der sein Fundament mehr und mehr auf Blut- und Geldwäsche aufbaute.
Vor aller Welt offenbart sich ein feinmaschiges und millionenschweres Netzwerk, mit dem der Kopf Armstrong seinen Betrug organisiert hatte. Dem Dopingarzt Michele Ferrari hatte er über Tarnfirmen und in Tranchen mehr als eine Million US-Dollar zukommen lassen, auf dass er die Karriere Armstrongs aufpuschte. Dopingkontrolleure wurden bestochen, positive Tests verschwanden oder wurden vom Weltverband nicht weiterverfolgt – und in den diversen Teams von Armstrong machten sich alle zu Mittätern und Mitschweigern. Dieser Dopingskandal ist tatsächlich ein Gipfel.
Der Radsport der Neuzeit wird diesem Skandal nicht so schnell davonfahren können. Auch wenn die Sponsoren, die sehenden Auges nichts sehen wollten und sowohl Armstrong stützten (Nike) als auch das Spektakel Tour (Rabobank), nun die Flucht nach hinten angreifen, kann der Radsport sein blindes Jahrzehnt nicht hinter sich lassem. Noch sitzen in vielen Teams die Helfershelfer und Dopingkuriere von einst, noch regieren im Radsport-Weltverband und bei den Tour-Organisatoren die Mitwisser und Abstreiter. Der Radsport kann eigentlich nur von vorne beginnen, wenn er erst nach hinten schaut und dann nach vorn.
Robert Ide
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